Brief zur GAP an Bundesministerin Julia Klöckner

Sehr geehrte Frau Ministerin Klöckner,

wir verfolgen mit Sorge die politische Debatte um die Umsetzung der GAP. Anstatt zu diskutieren, wie Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Klima- Umwelt- und Tierschutz und Stärkung des Ländlichen Raumes in Einklang zu bringen sind, wird um Prozente für Öko-regelungen, Umverteilung von der 1. in die 2. Säule und Biolandbau gefeilscht.   

In Ihrer Pressemitteilung vom 1. März 2021 weisen Sie richtigerweise darauf hin, dass die landwirtschaftliche Struktur in Deutschland vielfältig ist. Diese Vielfalt basiert auf den unterschiedlichen Standortbedingungen und regionalwirtschaftlichen Entwicklungen. Deshalb hat vor bald 50 Jahren die europäische Agrarpolitik die Ausgleichszulage für Berg- und benachteiligte Gebiete als erste Direktzahlung eingeführt. Sie hat den vom sog. Mans-holtplan als nicht wettbewerbsfähig erklärten Gebieten wieder Zuversicht geboten. Diese Sicht auf den Standortausgleich vermissen wir in der aktuellen Diskussion und befürchten, dass wie schon bei den beiden letzten Reformen die Ausgleichszulage weiter abgebaut wird. Dabei haben doch die drei Hitzesommer die natürlichen Standortunterschiede noch deutlicher gemacht.     

So ist es nicht mehr zu übersehen, wie die Politik die Kulturlandschaft in wettbewerbsfähige Lagen und Schutz- und Pflegegebiete teilt. Bei den Bauern und Bäuerinnen in den letzteren Gebieten wächst das Gefühl, Ökoalibi für die Gunstlagen zu sein. Dadurch zersplittert sich der durch den Strukturwandel ohnehin schrumpfende Primärsektor Landwirtschaft immer weiter, während die Agrarpolitik immer mehr urbanen Gruppen geprägt wird. Obwohl Vor-denker im Natur-und Umweltschutz längst erkannt haben, dass der Biodiversitätsverlust mit Schutz-gebieten nicht aufzuhalten ist, sondern eine flächendeckend standortangepasste Land -bewirtschaftung nötig ist.                                                                                                               

Eine kürzlich erschienene Studie über die „Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern Österreich und Schweiz“ stellt bemerkenswert fest, dass mit Einzelmaßnahmen ökologische Ziele nicht erreicht werden. Sie zieht Schlussfolgerungen und gibt Handlungsempfehlungen, die auch für die deutschen Mittelgebirge gelten. Wir fügen Ihnen unsere Zusammenfassung dieser Studie als Anlage 1 bei.  

Damit Möchten wir Ihre Feststellung unterstreichen, dass passgenaue Lösungen in den Ländern nötig sind. Genau diese standortgerechten Lösungen vermissen wir aber immer mehr, unter dem Vorwand von Vorgaben der EU und vom Bund. Deshalb weisen wir hiermit darauf hin, dass im Umsetzungsentwurf der GAP Berg- und Graslandregionen nicht erkennbar sind und machen auf folgende Problembereiche aufmerksam:

  1. Die Berg- und Grünlandgebiete sind in der Regel ökonomische Grenzstandorte. Zum sozialen und ökonomischen Ausgleich ist die Ausgleichzulage existenznotwendig. Dazu muss der von der EU mögliche Rahmen ausgeschöpft und entsprechend der kleinräum-igen Unterschiede gestaffelt werden. Dabei würde die Erprobung des Österreichischen Berghöfekataster mehr einzelbetriebliche Gerechtigkeit schaffen.
  2. Grünland hat eine nachhaltige Multifunktion, sowohl als regenerative Futtererzeugung, als zum optimalen Schutz von Wasser und Klima durch CO2-Bindung im Humus und seine  Biodiversität. Eine Würdigung dieser Vorzüge ist in der Debatte nicht zu erkennen. Hätte  Grünland bei den Ecoschemen nicht eine entsprechende Wertung verdient?
  3. Die Berg- und Grünlandregionen sind in der Regel kleinstrukturiert. Die natürliche Dynamik dieser Strukturen kollidiert aber immer mehr mit der statischen Bürokratie. Die Journalistin Tanja Busse hat in ihrem Buch „Das Sterben der anderen“ diese Konflikt-bereiche bespielhaft bearbeitet. Zusammen mit  Tierwohlauflagen und der von der Düngeverordnung geforderten bodennahen Ausbringtechnik beschleunigt diese Bürokratie die Betriebsaufgaben in den Bergen. Auch weil das pauschale Grünlandum-bruchverbot die Möglichkeiten einzelbetrieblicher Innovationen verhindert, obwohl das Dauergrünland unterhalb der Almen aus der Feldgraskultur entstanden ist.
  4. Am meisten leiden die Berg- und Grünlandregionen unter dem Wettbewerbsdruck der Überschüsse am Markt bei Milch und Fleisch. Zwar dienen Bilder von naturgemäßer Milcherzeugung auf Weiden als Werbegag, aber der Preisdruck fördert auch in Grünlandgebieten Hochleistung mit (billigem) Zukauffutter und schwächt damit die Vorzüge des Grünlandes. Hier ist großer Handlungsbedarf, wie die Studie aus den Alpenländern aufzeigt. Dazu gehört auch endlich die konsequente Anwendung der Hoftor- oder Stoffstrombilanz bei Beratung und Investitionsförderung, um Umwelt, Futter und Leistung wieder in Einklang zu bringen. 

Zur Ländlichen Entwicklung fügen wir als Anlage 2 den Artikel Sackgasse Spezialisierung aus der Zeitschrift Kultur und Politik bei. Darin wurde aufzubereiten versucht, warum die erhoffte Ökologisierung und Regionalisierung nicht vorankommt. Wie der Alpenprofessor Bätzing sind auch wir der Meinung, dass der Systemwechsel hier ansetzen muss. Weg von der Förderung isolierter Entwicklungsprojekte, die in der Regel den Bauern und der Region wenig bringen, hin zu einer integralen Kultur zwischen Berg und Tal und Land und Stadt

Brief zur GAP an Bundesministerin Julia Klöckner
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