Chancen der Berglandwirtschaft

Schon lange hat man aus der Wissenschaft zur Landwirtschaft in Berg- und Grünlandgebieten nichts mehr gehört. Jetzt hat eine bunte Gruppe von Agrar- und Umweltwissenschaftlern sich dazu geäußert im brandneuen Buch: „Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern  – Wege zu einer raufutterbasierten Milch- und Fleischproduktion in Österreich und der Schweiz“.  Wenn sich auch der Untertitel rezepthaft anhört, geht es den Forschern vielmehr um den Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und zwar nicht nur in den Bergen sondern auch im Tal. Ihr Aufhänger ist die Erkenntnis, dass die Ökologisierung der Agrarpolitik seit den 90er Jahren ihre Ziele nicht erreicht. Dazu ist besonders bemerkenswert, dass in der Schweiz wie in Österreich der biologische Landbau doch einen überdurchschnittlichen Anteil hat und drei der beteiligten Wissenschaftler aus der Bioforschung kommen. Die Forscher sind zur Einsicht gekommen, dass Einzelmaßnahmen nicht zielführend sind, sondern das Ernährungssystem insgesamt über die Chancen der Landwirtschaft in den Bergen entscheidet. Und das gelte nicht nur für die Schweiz und Österreich, sondern auch für die anderen Grasländer in Bergregionen.   

Die Landwirtschaft in den Alpenländern hat ein hohes Ansehen in der Gesellschaft, vor allem wegen der Erholungsfunktion der Landschaft. Gleichwohl sind die negativen Auswirkungen durch die Intensivierung der Landwirtschaft vor allem in den Tallagen bedenklich. Denn sie macht die Lebensräume monotoner und beeinträchtigt Wasser, Klima und Biodiversität. Als Haupttreiber sieht die Forschergruppe den Stickstoff und zwar in erster Linie über den Zukauf von Futtermitteln. Der hat die Milchleistung gesteigert und erfüllt die Nachfrage nach Fleisch und Eiern. Aber der überwiegende Teil des Eiweiß im importierten Futter bleibt als Stickstoff in Mist und Gülle zurück. Die Forscher haben deshalb das Problem Stickstoff im Zusammenhang des Ernährungssystem vom Feld bis zum Teller bearbeitet.

Immer steht die Frage im Zentrum, warum die Ökologisierung der Agrarpolitik die Trendwende zu einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft nicht schafft. Die systemische Betrachtung deckte auf, dass dafür die globale, lokale und betriebliche Ebene verantwortlich ist. Denn Einzelmaßnahmen verlagern in der Regel nur die Probleme über Importe in andere Gebiete. Deshalb wurden eine Reihe Szenarien systemisch durchgerechnet. Dabei zeigte sich, dass der Verlust an landwirtschaftlichen Flächen durch Überbauung in Tallagen die Intensivierung ebenso fördert wie der Silomais in der Wiederkäuerfütterung, der auch die Nutzung des Grasland der Berge zurückdrängt. Aufgeführte Praxisbetriebe zeigen, dass graslandbasierte Milcherzeugung möglich ist. In der Schweiz wird sie bereits von der Agrarpolitik gefördert. Als breiter Lösungsweg zur naturgemäßen Tierhaltung auf Grasland müssen aber die Aspekte vom Standort bis zum Konsum berücksichtigt werden, damit Grasland auch seine ökonomische Vorzüglichkeit wieder gewinnt. Das Ergebnis ist in 6 Schlussfolgerungen mit ungewöhnlich klaren Handlungsempfehlungen zusammengefasst:

  1. Das Problem an der Wurzel angehen und das liegt in der Entkoppelung von Tierhaltung und Fläche durch Futterzukauf. Um eine Stickstoffentlastung zu erreichen muss die Nutztierhaltung an die Futtergrundlage des Standorts angepasst werden und auf den Ackerflächen die Konkurrenz von Futterpflanzen (Silomais) mit Pflanzen für die menschliche Ernährung überwunden werden.
  2. Die Schließung von Stoffkreisläufen und standortgerechte Produktion sind die Kernelemente einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft. Dazu gehören auch der Umgang und die Nutzung von Abfällen.
  3. Regenerative Milch- und Fleischerzeugung übertrifft die Maßnahmen der bisherigen Agrarpolitik, wenn sie auf eine wiederkäuergerechte Fütterung vom Grasland ausgerichtet ist. Dazu braucht es standortangepasst Raufutterverwerter mit entsprechender Genetik, die standortgerechte Koppelung von Pflanzen- und Tierproduktion, die schlussendlich die Bodenfruchtbarkeit steigert und das Klima entlastet.
  4. Durch die regenerative Milch- und Rindfleischerzeugung entstehen neue Optionen für Ackerflächen für die direkte Lebensmittelproduktion. Diese Extensivierung bringt insgesamt Effekte für die Biodiversität.  
  5. Eine standortgerechte Produktion entlastet die Umwelt, reduziert aber den Selbstversorgungsgrad in den Alpenländern.  Um eine Kompensation durch Importe zu vermeiden, muss ein gesellschaftlicher Diskurs über Konsummuster angestoßen werden und die Agrarpolitik zur Ernährungspolitik erweitert werden.
  6. Dieser Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft ist lang, weil es um die Transformation von der ökonomischen Orientierung auf Effizienz zu einer an der effizienten Nutzung des Standortes mit seiner Ökologie geht. Diese Transformation braucht klare politische Signale, eine Neuorientierung der Zuchtprogramme, , die Vermittlung des entsprechenden Wissens in Ausbildung und Beratung und eine entsprechende Sensibilisierung der Konsumenten.       

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