Tag des bäuerlichen Widerstandes

Der 17. April ist von internationale soziale Bewegung La Via Campesina (spanisch: „der bäuerliche Weg“) zum Tag des kleinbäuerlichen Widerstands ausgerufen. Weltweit finden Aktionen von Bäuer*innen, kleinen und mittelgroßen Betrieben, Landlosen, indigenen Gesellschaften, Migrant*innen und Landarbeiter*innen statt. Alle eint das Ziel Ernährungssouveränität ein Stück mehr Realität werden zu lassen. Sogar der deutsche Landwirtschaftsminister hat in den ersten Monaten des Ukrainekrieges den Begriff benutzt. Aber was ist mit Ernährungssouveränität gemeint?

Ernährungs-Souveränität

Die internationale Kleinbauernorganisation La Via Campesina hat 1996 zum Welternährungsgipfel in Rom Ernährungssouveränität als antikoloniale Kritik präsentiert an der Fremdbestimmung durch die internationalen Handelsregeln der WTO und die neoliberalen Kreditauflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. La Via Campesina kämpft für eine Veränderung der politischen Regulierungen und der Verwaltungsstrukturen, die unser Lebensmittelsystem beherrschen und für eine Delegitimierung der Konzernmacht.

Der im Auftrag der Weltbank 2008 vorgestellte Weltagrarbericht hat Ernährungssouveränität zur Lösung der Hungerkrise übernommen. Er ist zusammen mit Agrarökologie, Multifunktionalität und bäuerliche Strukturen ein Konzept für gerechte und klimaschonende Ernährungssysteme. 56 Staaten haben den Weltagrarbericht unterzeichnet, leider Deutschland nicht, wohl weil hier die industriellen Interessen überwiegen.

Erzeugung und Ernährung haben sich auseinanderentwickelt   

Viele Organisationen unterstützten verbal die Ernährungssouveränität. Sie übersehen aber die Realität, in der durch die (billige) Mobilität durch Eisenbahn und Autoverkehr aller Güter sich die Landwirtschaft regional spezialisiert hat. Darauf was unter den jeweiligen Bedingungen rentabel ist. Eine Studie, wie weit sich die Stadt Freiburg aus der Region ernährt, offenbarte die Realität. Das überraschende war, obwohl um Freiburg eigentlich alles wächst, dass Gemüse und Obst nur zu gut 20 % aus der Region kommt und nur die Versorgung mit Milch (noch) zu 100 % aus der Region erfolgt. Zeichen wie in wenigen Jahrzehnten sich die bäuerliche Versorgungskultur z.B. am Kaiserstuhl auf Weinbau und im Schwarzwald auf Milcherzeugung spezialisiert hat. Der globale Wettbewerb um das günstigste Produkt treibt diese Entwicklung weiter, indem sich die Milcherzeugung vom Grünland in Ackerbaugebiete mit Silomais verlagert, wie vor Jahrzehnten schon die Bullenmast.

Ernährungssouveränität braucht eine ökosoziale Marktwirtschaft

Vielerlei Hoffnungen auf Regionalisierung unseres Ernährungssystem blieben Nischen. Obwohl der globale Transport mit großen Klima- und Umweltschäden sowie prekären Arbeitsplätzen verbunden ist, ändert sich nichts, weil die Wertschöpfung und damit die Macht im Handel konzentriert ist. Trotzdem sind Lebensmittel auch in unseren reichen Ländern für immer mehr Menschen teuer, wie die Tafeln zeigen. Und in der Landwirtschaft beschleunigt sich der Strukturwandel.

In jüngster Zeit gibt es wieder Versuche den seit den 1990ern freien Weltmarkt durch protektionistische Maßnahmen (Zölle) zugunsten der nationalen Wirtschaft einzuschränken. Wir erinnern aber, dass mit den Marktregelungen der EU-Agrarpolitik der Strukturwandel des Ernährungssystems begonnen hat. Die Lösung kann also nicht Protektionismus sein, sondern der Umbau des vermeintlich freien Marktes zu einer globalen ökosozialen Marktwirtschaft, wie sie uns Radermacher beim Aschermittwochsgespräch 2011 schon erklärt hat.

Die Ökonomin Kate Raworth und ebenfalls Mitglied des Club of Rom folgt der Einsicht „Bilder sind mehr als tausend Worte“ und hat mit dem Donut-Modell des Titelbildes den zukunftsfähigen grünen Bereich zum Wirtschaften aufgezeigt. Danach muss Wirtschaften die ökologischen Grenzen unseres Planeten, die teilweise überschritten sind, ebenso einhalten, wie das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft, das immer weniger ausgeglichen ist. Die Herausforderung dieses politischen Spagats erleben wir derzeit in der deutschen Energiepolitik. In der Agrarpolitik ist weder Ernährungssouveränität noch das Donut-Modell angekommen. Deshalb sollte der bäuerliche Widerstand sie deutlicher einfordern. Denn die bäuerliche Zukunft hängt vom Guten Leben für alle ab.

 

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