Am Dienstag 8. November haben wir uns im Löwen in Rohrbach getroffen, um die Erfahrungen im Dürresommer auszutauschen und über die Herausforderungen der Energiekrise nachzudenken. Zwar ist die Dürre im milden und feuchten Herbst schon fast schon vergessen, aber die zunehmenden Dürreperioden stellen Gewohnheiten und Lehrmeinungen in Frage, wie die Erfahrungen der Teilnehmer vom Breg- bis ins Elz- und Kinzigtal feststellten. Denn der Hitzesommer 22 war so extrem wie noch nie und damit auch der Graswuchs. Der beginnt mit der Klimaerwärmung zwar immer früher, altert aber bei hohen Temperaturen auch rascher, weshalb die Weidetiere dann die dürren Halme stehen lassen. Bleibt der für den Nachwuchs notwendige Regen aus, geraten die Gewohnheiten durcheinander, weil das Gras zum Weiden oder weiteren Schnitten knappt wird und öfter fehlt. Umso überraschter waren alle, wie mit ein bisschen Regen im Spätsommer das Gras wieder ergrünen lies und den Weidetieren bis jetzt in den November wieder Futter bot.
Hitzeperioden offenbaren Standortunterschiede,
die in Agrarpolitik und Lehrmeinungen immer weniger berücksichtigt werden. Diese Unterschiede zeigen sich bei Dürre oft von Tal zu Tal. Vor allem trocknen Nordhänge weniger schnell aus als Südhänge und dort die steinigen Stellen mit wenig Bodenauflage zuerst. In diesen flachgründig genannten Böden heizen sich die Steine bei Hitze auf und verstärken die Sonneneinstrahlung. Dagegen trocknen schattige Stellen um Bäume oder an Waldrändern langsamer aus. Einige zeigten sich überrascht, dass Gärten, Kartoffeln oder Obstbäume weniger unter der Dürre litten als Grasland. Diese Beobachtungen machen nachdenklich, ob der landwirtschaftliche Mainstream der Rationalisierung und Spezialisierung sich an wandelnde Witterungsbedingen anpassen kann. Deshalb erinnerte der Vorsitzende Reimund Kuner daran, dass das Forum immer Auswege sucht, wie im Sommer bei der Infotour in die Schweiz bei zwei bäuerlichen Vordenkern.
Der Lehenhof hat die Hochleistungsstrategie verlassen
um mit weniger Stress für Boden, Tier und Meschen zu leben. Obwohl der Hof auf trockenheitsanfälligen Schotterböden liegt, ist Gras und Milch weiter sein Schwerpunkt. Er hat auch schon lange auf Biolandbau umgestellt, aber er hat ihn weiterentwickelt. Aus der Erfahrung, dass Kühe aus der klassischen Leistungszucht mit Gras allein überfordert werden, setzt Hans Braun an den Wurzeln der Unkosten durch Stress an. Er selektiert Kühe, die mit Gras allein gesund bleiben und lange Milch geben. Damit hat er sogar den Zuchtverband zu gemäßigten Zielen für Weidekühe bewegen können. Nur die gängigen Label des Marktes honorieren dieses naturgemäße Wirtschaften noch nicht.
Das Beispiel Klostergut Schönthal im Basler Jura.
Erika Obergfell berichtete, wie der mehrfache Gesprächspartner des Forums, Martin Ott, dort Landwirtschaft weiterdenkt. Der städtische Besitzer hatte dort in der Landschaft einen Skulpturenpark initiiert, aber die notwenige Landbewirtschaftung übersehen. Martin Ott hat die Aufgabe übernommen, wieder Harmonie herzustellen und bietet dabei Schülern seiner freien Landwirtschaftsschule eine Chance. Bei einem Rundgang forderte er auf, die Landschaft nicht als Idylle zu sehen, sondern Sinn und Zweck dahinter zu erkennen. Mit diesem Blick hat er erkannt, dass die klassische Trennung von Wald und Feld dem natürlichen Verhalten der Weidetiere nicht gerecht wird, weil die gern dazwischen wechseln. In den Zwischenräumen entstehe neue Biodiversität, wodurch Sonneneinstrahlung und Regen besser genutzt würden. Martin Ott denkt damit Naturschutz für die Bauern neu, er braucht ihn erst um das Ergebnis zu bestätigen.
In diesem Herbst fallen nicht nur die Blätter von den Bäumen,
versuchte Siegfried Jäckle die Debatte abzurunden, auch vom herrschenden Glauben an die Globalisierung fallen die Hoffnungen wie Blätter. Mit dem Unterschied, dass Blätter die von im Jahr aufgenommen Nähstoffe im Umfeld verteilen als Dünger für die nächste Vegetation, während der globale Markt nur Verlierer hinterlässt und Berge mit ihren Bauern zur Kulisse gemacht hat. Deshalb setzt das Forum mit seien Freunde im Netzwerk auf natürliche Kreisläufe. So kam zum kürzlichen Erntedankgespräch der 85-jährige Tierzuchtprofessor Alfred Haiger aus Wien zum vierten Mal in den Schwarzwald. Jedes Mal wird dieser Vordenker aktueller. Vor dreißig Jahren hat er die Konkurrenz von Teller, Trog und Tank schon thematisiert. Es sei ökologischer Unsinn, betonte der Tierzüchter Haiger, Tiere zu züchten, die ohne Kraftfutter nicht existieren können und in Energiemangelzeiten zu Nahrungsmittelkonkurrenten des Menschen werden. Zudem sei die Hochleistung gar nicht effizient, weil dafür mehr Kalorien Energie aufgewendet werden müssen, als erzeugt werden. Deshalb hat Haiger lange bevor von Zeitenwende und Transformation geredet wurde, den Übergang von der Petro- zur Agrikultur angemahnt:.
Denn unsere Ernährung hängt von der Fotosynthese der grünen Pflanzen als natürliche Energieerzeugung auf fruchtbaren Böden in Verbindung mit naturgemäßer Tierzucht und -haltung ab.
Der Strukturwandel als Folge der Petrokultur hat von der naturgemäßen Kultur weggeführt und abhängig von Fremdenenergie gemacht. Wie Haiger betont, ist Agrikultur nicht als Rückschritt zu sehen, sondern als Kulturwandel zu einem weniger abhängigen und zufriedenen Leben. Die Teilnehmer dieses Schwarzwald-bauerntreffs stellten dazu fest, dass wir nicht noch mehr schaffen sollten um technischen Trends und Labels zu genügen, sondern in der Energie- und Klimakrise uns mehr an der Regenerationskraft der Natur orientieren sollten.