Bäuerliche Zukunft braucht eine andere Sicht

Die Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft geht an den Herausforderungen von Klimaerwärmung und dem Preiskampf der Marktmächte vorbei. So machen sich Politik und Institutionen zum Handlanger der Marktmächte, deren Regeln die Tretmühle des Investierens – der Leistungssteigerung – des Preisdrucks und neuen Qualitätsstandards antreiben. Womit dieser Teufelskreis auch die bisherigen Alternativen wie ökologischen Landbau und Standbeine vereinnahmt. Deshalb galt unser  Aschermittwochs-gespräch am 22. Februar 2023 der Frage, wie wir diese Tretmühle bremsen oder ihr entkommen können. Dazu ist eine andere Sicht auf das Leben notwendig, die der bäuerliche Denker Kaspanaze Simma aus dem Bregenzerwald vorstellte. Er lebt mit seiner Familie eine andere Sicht, die ihm Zeit lässt, über die Landwirtschaft in unserem Wirtschaftssystem nachzudenken und bot ungewohnte Denkanstöße, um nicht weichen zu müssen.

Unser Leben am Schwarzwaldhof 

Unser Freund Kapanaze wünschte, dass einige Teilnehmer ihr Leben auf ihrem Schwarzwaldhof vorstellen. Wovon sie leben und was sie gerne und weniger gerne tun. An ihrer Vorstellung war  bemerkenswert, dass bei Allen Familie und Gesundheit über dem Maßstäben Hektare, Geld und Gewinn standen  und alle sich in der Tradition der Versorgerwirtschaft erinnern. Auf dem Hof arbeiten sie gerne, sehen die Arbeit sogar als Ausgleich und hoffen auf Nachfolge. Sorgen um die Zukunft bereiten der Wolf, die Waldschäden und die zeitraubende Bürokratie.

Kaspanzes Erfahrungen

Kaspanaze folgte dem Wunsch seiner Mutter am Hof zu bleiben und ist in jungen Jahren von  zwei widersprüchlichen Erfahrungen geprägt worden. Eine war die Last Schulden von einer Haussanierung abzuzahlen und die andere das einfache Leben auf der Gemeinschaftsalpe. Er suchte Orientierung und fand sie in der aufkommenden Umweltbewegung. Die bot ihm Rückendeckung sich politisch zu engagieren. Ein alternatives Wirtschaften durch ökosoziale Umsteuerung war seine Vision, wozu die Preise für Energie und Verkehr verdoppelt werden sollten. Damit verhalf er der grünen Umweltpartei  zum ersten Wahlerfolg, doch die gab diese Vision auf, weshalb er heute mit ihr hadert. Trotzdem ist Kaspanaze überzeugt, wenn die ökosoziale Umsteuerung vor 25 Jahren gelungen wäre, gäbe es heute mehr Bauern!

Die Entwicklung

Während Kaspanaze seine ökosoziale Vision als bäuerlichen Weg selbst lebte, beschleunigte sich die Entwicklung in die andere Richtung. Durch den Freihandel in der EU und die globalen GATT-Vereinbarungen wurden Agrarexporte zum Geschäft, denen aber Importe gegenüberstehen, die die Preise drücken. Die Auflösung des Ostblocks veränderte den Wert der Arbeit. Und die Digitalisierung führe zur Abwanderung von der realen Welt. Was als Fortschritte gilt, kommt Kaspanaze wie eine koloniale Besatzung vor, die durch Werbung finanziert wird. Er vermisst die Kostenwahrheit.

Bauer versus Kapitalismus

Dieser Entwicklung ging der Bauer Kaspanaze auf den Grund. Im neuen Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des Franzosen Thomas Piketty fand er die schlüssige Erklärung. Das nämlich die Agrarflächen vor der Industrialisierung 2/3 des nationalen Kapitals ausmachten, aber heute nur noch 2%. Das heißt, nur das nichtlandwirtschaftliche Kapital gewachsen ist und wir mit Waren Arbeit importieren, die landwirtschaftliche Arbeitsplätze verdrängen. So hätten die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in 60 Jahren das zehnfache ihrer Kaufkraft verloren, wie er an Beispiel einer Tanne zeigte. Zudem besteht das Nationaleinkommen inzwischen zu 75 % aus Dienstleistungen, in Form von immer mehr  Verwaltung von Ausgleichsprämien und Kontrollen. Aus der Umweltbewegung ist so ein industriewirtschaftlicher Schub geworden.

Hoffnung auf Bewegung der Mäßigung

Die Produktivität der modernen Landwirtschaft sieht Kaspanaze kritisch, weil Weltmarktpreise mehr Kapital- und Arbeitsintensität fordern und den Bauern die  Zeit fehle noch über die Bücher zu schauen. Denn wer dies tut, stellt fest, dass die Natur selbst produktiver ist. Sie bringr allein mit Sonnenenergie erstaunliche Erträge, wie Kaspanaze am Beispiel eines alten Birnbaumes erklärte. Um diese Lebenskräfte auf Dauer nutzen zu können, muss man sie nur wieder herstellen, was neudeutsch regenerativ heißt. Aus dieser Sicht hat bäuerliches Wirtschaften Zukunft, wenn der Kapitaleinsatz niedrig gehalten wird und  die Arbeitsintensität überschaubar bleibt. Kaspanaze helfen dabei die Pferde, den Rhythmus der Natur zu finden. Neben der Geldwirtschaft gilt es auch den Beitrag der Nichtgeld-tätigkeiten (Subsistenz) zum Leben zusehen. So könne Jeder/Jede auf seiner Ebene bäuerliches Wirtschaften üben und damit der Gesellschaft die Sicht für anderes Wirtschaften öffnen.

Im bäuerlichen Wirtschaften sieht Kaspanaze 3 Qualitäten:

  • sie ist produktiv mit eigenen Mitteln;
  • sie schafft Schönheit im Ganzen;
  • sie stellt Beziehung zu Natur, Tieren, wahrem Wachstum und Menschen her.

Kaspanaze reiht sich damit in die Bewegung zu einer Postwachstumsökonomie, wie sie Ernst F. Schumacher und Niko Paech vorgedacht haben und Gerhard Scherborn so formuliert hat:
Das Ziel ist, dass die Subsistenzwirtschaft nicht auf Dauer neben einer auf Substanzverzehr angelegten Industriewirtschaft existiert, sondern der „Subsistenzgrad“ der Gesamtwirtschaft Schritt für Schritt erhöht wird.

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