Nach zwei Jahren Coronabeschränkungen traf sich das Forum Pro Schwarzwaldbauern am 28. April wieder zu einem Schwarzwaldbauerntreff im Vesperhäusle Reinertonishof im Schönwald. Das Treffen dreht sich um die Frage Zeitenwende – auch für Schwarzwaldbauern? Dabei wurden zuerst Erfahrungen mit Ukraineflüchtlingen, Coronabeschränkungen und Klimaerwärmung ausgetauscht. Daraus wurde eine gemeinsame Erkenntnis gezogen, dass Krisen alle überraschen und die Politik deshalb aus Angst und mit Expertenrat reagiert und die Wirkungen auf das praktische Leben oft nicht sieht. Besorgt zeigte sich alle, wie Medien so eine Meinung verbreiten und jede andere Meinung als Verschwörungstheorie abstempeln. So wird nämlich verdrängt, dass die Kernursache aller drei Krisen im globalen Wettbewerb um den billigsten Anbieter liegt, bei dem auch Schwarzwaldbauern nicht mithalten können. Zwar haben der Coronavirus und jetzt der Ukrainekrieg den globalen Handel zum Stottern gebracht und das Leben teilweise entschleunigt, aber die Rückkehr zum gewohnten Wohlstand ist weiter das Ziel, obwohl sein Energiebedarf das Klima erwärmt.
EU-Agrarreform ab 23
Im Schatten der Coronakrise ist in der EU eine Agrarreform als nächster Siebenjahresplan beschlossen worden. Als Systemwechsel hatte Landwirtschaftsministerin Klöckner diese Reform verkündet. Gewechselt haben aber nur Begriffe. Die alten Widersprüche, die Landwirtschaft wettbewerbsfähig und Klima- Tier- und Umweltgerecht zu machen, bestehen weiter. Und die Berglandwirtschaft komme in der Reform nur bei neuen digitalen Kontrollen vor. Offenbar ist in der Agrarpolitik und ihren beratenden Ökonomen die Erde wieder eine Scheibe. Der neue Landwirtschaftsminister Özdemir habe auf den Krieg in der europäischen Kornkammer die technologische Tierwohldebatte um die Frage Getreide für Teller, Trog oder Tank erweitert. Doch sie bleibt bodenlos, solange sie übersieht, dass der überwiegende Teil der landwirtschaftlich genutzten Böden auf der Erde Grasland ist, das Widerkäuer wie Rinder zu Milch und Fleisch veredeln und damit zur Ernährungssicherung beitragen.
Sind die Schwarzwälder Thesen noch gültig?
Aus diesen Gründen hatte vor 20 Jahren die UNO das Jahr 2002 zum Internationalen Jahr der Berge erklärt, mit dem Ziel den Bergen wieder Sinn zu geben. Aus der Einsicht, dass im freien Weltmarkt Berge zur Kulisse fürs Marketing verkommen. In einer Fachtagung zum Int. Jahr der Berge haben wir mit mit internationalen Bergexperten die Schwarzwälder Thesen verfasst. Darin ist festgehalten, dass der globale ökonomische Wettbewerb Bergbäuerinnen- und Bauern in eine Sinnkrise zwischen Landwirtschaft und Landschaftspflege treibt und regionale Beziehungen und Strukturen zerfallen. Jetzt hat das Forum beim Treffen die Thesen evaluiert und übereinstimmend festgestellt, dass sie nach 20 Jahren immer noch gültig sind. Immer noch ist Landwirtschaft schwieriger, je schöner die Landschaft ist. Doch diese kulturelle Leistung wird weder von Produkterlösen noch von agrarpolitischen Zahlungen entsprechend honoriert. Weshalb keine der Agrarreformen am Trend des Wachsen und Weichen etwas geändert habe und in immer mehr Tälern die Schwarzwaldbauern weichen.
Netzwerk der Bergpioniere
Zwar wird mit blühenden Bergwiesen und dort weidenden Kühen geworben, aber gerade die werden im herrschenden Wettbewerbssystem verdrängt. Deshalb gehen wir den Ursachen auf den Grund und haben dazu ein Netzwerk von Gesprächspartnern von Wien und Paris und von Sachsen bis in die Vogesen gefunden. So vertritt der im Beitragsbild mit dem Vorsitzenden diskutierende Michael Beleites aus Sachsen eine Lebenswende von der Degeneration zur Regeneration in Natur und Gesellschaft. Das Kernproblem sehen alle in der von der Industrie übernommenen Ökonomie, für die lebendige Abläufe, an die die Landwirtschaft gebunden ist, keinen Wert haben. Deshalb haben wir schon in den Schwarzwälder Thesen angemahnt, dass bäuerliches Wissen zum knappsten Faktor für die Landwirtschaft in den Bergen wird. Doch die landwirtschaftliche Bildung ist mehr denn je von dieser Ökonomie dominiert und seit dem Ukrainekrieg hat agrarpolitisch eine erneute Polarisierung zwischen Ökonomie und Ökologie begonnen. Ist es nicht pervers, wenn Sorgen um die Ernährungssicherheit aufkommen und Bauern in den Schwarzwaldbergen unter den herrschenden Bedingungen nicht mithalten können? Eine Zeitenwende für die Schwarzwaldbauern braucht statt polarisierendem Wettbewerb eine Balance von Ökonomie, Ökologie und sozialen Interessen von Gesellschaft und Bauern.