Die verkündete Hoffnung auf die Corona-Schutzimpfung hat sich als politisches Verwirrspiel zwischen Plan- und Marktwirtschaft entpuppt. Uns erinnert diese Situation an die Agrarpolitik? Die fördert und fordert auch die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt und wundert sich, dass Landwirte und Klima- und Umweltschützer unzufrieden sind. Sollten wir von den global mutierenden Vorona-Viren nicht lernen, dass sie mit den globalen Versorgungssystemen zusammenhängen, wie auch die Klimaerwärmung, das Artensterben und der Strukturwandel in Landwirtschaft, Dörfern und Innenstädten? Und dass Fremdversorgung Fremdbestimmung heißt?
Freier Markt und Marketing nicht verwechseln
Die Glaube vom freien Markt ist mit der Globalisierung der Märkte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder erwacht und wird deshalb neoliberal genannt. Er stammt aus den Anfängen der industriellen Massenproduktion im 18. Jahrhundert. Schon im 19. Jahrhundert musste der Staat in diesem freien Markt die Menschen mit Sozialgesetzen schützen. Und die eigene Landwirt-schaft mit Agrarzöllen vor den mit Dampfschiffen und Eisenbahn billigeren Importen. Der Glaube vom freien Markt verspricht, dass wenn alle an ihren Vorteil denken, sei dem Gemeinwohl am besten gedient. Weil Massengütern aber satt machen, wecken die Marktmächte mit Marketing laufend neue Bedürfnisse nach kurzlebigeren Produkten, die mit Krediten finanziert werden.
Unsere Aschermittwochsgespräche haben diesen Glauben hinterfragt
Wie dieser Glaube vom freien Markt unsere Agrarpolitik beherrscht, zeigte kürzlich eine Antwort des Bundesministerium für Landwirtschaft auf die Forderungen der protestierenden Landwirte. Wir haben uns stattdessen entschieden bei unseren Aschermittwochsgesprächen seit über 20 Jahren über diese marktradikale Entwicklung aufzuklären. Unsere Gesprächspartner haben dabei aus ganz unterschiedlicher Sicht überraschend einheitliche Antworten geliefert. Nämlich, dass in diesem Wirtschaftssystem die Landwirtschaft zur Industrialisierung gezwungen ist und zur Abwendung der Folgen eine Ökodiktatur drohe. Weil wir uns dieses Jahr am Aschermittwoch nicht treffen können, erinnern wir auf unserer Homepage mit einem Rückblick auf die Aussagen unserer Aschermittwochsgespräche vor 20 und 10 Jahren: https://forumproschwarzwaldbauern.de/rueckblick-aschermittwochsgespraeche/
Kulturwandel statt Strukturwandel
Dieses unser Motto wird immer aktueller. Denn die im Schatten der Coronakrise geführten Debatten um die Agrarpolitik der nächsten Jahre, um Insektenschutz usw. sind gefangen in der Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt. Weil der politische Mut zu einer flächendeckend natur-gemäßen Landbewirtschaftung fehlt, wird die Teilung des Kulturlandes in Schutz- und Nutz-gebiete gefördert. Während so in immer mehr Schwarzwaldtälern die Bauern schwinden, demonstrierenden die Landwirte aus den Gunstlagen wegen nicht kostendeckenden Preisen und werden der Radikalisierung beschuldigt. Unser Gesprächspartner vom Aschermittwoch 2003, Prof. Onno Poppinga klärt darüber im beigefügten Interview aus dem Freitag auf.
Unser Lesetipp dazu: Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen – warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind – von Ulrike Herrmann. Unsere Gesprächspartnerin zum Erntedank 2018 resümiert darin unsere wirtschaftliche Entwicklung seit dem 2. Weltkrieg und klärt auf, welche Rolle die Politik dabei gespielt und eigentlich spielen sollte.