Rückblick Aschermittwochsgespräche

Seit über 20 Jahren treffen wir uns am Aschermittwoch im Brigachhaus mit Vordenkern unserer Zeit. Mit ihren Denkanstößen haben wir nicht nur den berufsständischen Tunnelblick gesprengt, sondern Impulse zu einer wirklich nachhaltigen Entwicklung gegeben. Wegen den Coronaregeln können wir uns dieses Jahr leider nicht treffen, obwohl wir die aktuelle Vordenkerin von Politik und Ökonomie auf der Agenda hatten. Wir wagen deshalb hier einen Rückblick und müssen dabei wie die Klimaaktivistin Greta Thunberg feststellen, eigentlich ist alles bekannt und gesagt, aber warum wird nicht gehandelt? 

Vor 20 Jahren, mitten in der BSE-Krise und der von der rotgrünen Bundesregierung verkündeten Agrarwende, erklärte Professor Hardy Vogtmann bei unserem dritten Aschermittwochsgepräch was immer noch verschwiegen wird. Nämlich, dass an der konventionellen Landwirtschaft die Wirtschaft gut verdiene, an der naturgemäßen aber nicht. Als damals neuer Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, betonte Vogt Mann, so müssten die Konsumenten zwar immer weniger für Lebensmittel ausgeben, aber die Folgen kosten immer mehr Steuermittel. Deshalb forderte der als Berater von Prinz Charles (im Titelbild links) bekannte erste deutsche Ökoprofessor auf, über Ziele statt Maßnahmen zu reden. Das Ziel bäuerliche Landwirtschaft sei mit dem der Agrarpolitik der Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt  nicht zu vereinbaren und würde zur Idylle. Bäuerliche Landwirtschaft müsse regional verankert bleiben. Der studierte Ernährungswissenschaftler hat das Paradox erkannt, dass unser Ernährungssystem zusätzlich 60% unserer Fläche außerhalb des Landes beansprucht, aber Kulturland-schäften wie den Schwarzwald auf Offenhaltung reduziere. Als oberster Naturschützer warnte Vogt Mann vor dem politischen Schummeln mit Naturschutzinstrumenten.

Beim Aschermittwochsgespräch vor 10 Jahren war der Mathematiker und Mitglied im Club of Rom, Professor Franz-Josef Radermacher zu Gast. Sein Thema galt dem    Überleben im 21. Jahrhundert. Dazu betonte er die Verletzlichkeit unserer globalen Welt hin, an die uns Nachrichten fast täglich erinnern. Er erklärte, dass wir so gut leben, weil wir die Armen sowie Boden, Wasser und Rohstoffe ausbeuten. Für Radermacher ist das Überleben eine Systemfrage. Dabei stünden drei  Zukunfts-szenarien zur Wahl. Das weiter so des jetzigen marktradikalen Szenario beschwöre einen Kampf um Ressourcen mit Umwelt- und Klimazerstörung herauf, den nur die militärisch Mächtigsten überleben werden. Deshalb sieht Radermacher die Brasilianisierung und Ökodiktatur als zweites Szenario, das der aktuellen Entwicklung am nächsten sei. Denn während der Mittelstand durch Roboter ersetzt würde, werden wenige reicher und viele ärmer. Nahrung müsse deshalb billig sein. Die Landwirte würden Tagelöhnern der Konzerne, die wiederum Umwelt- und Tierschutz bestimmen.

Als drittes Szenario sieht Radermacher eine ökosoziale Marktwirtschaft, die er mit dem ökosozialen Forum Österreich verfolgt. Bei dessen deutschem Ableger ist auch das Forum Pro Schwarzwaldbauern Mitglied. Denn nur wenn es gelänge, Ressourcen und Umwelt global gerechter zu regeln, hält der Mathematiker eine friedliche Entwicklung für vorstellbar. Bisher sei nur die Wirtschaft global, aber die Politik noch national. Radermacher sieht zwar erste kleine Schritte in die ökosoziale Richtung. Aber um Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft in Balance zu bringen, brauche es mehr als politische Lagerspiele. Die gerechte Verteilung des Wohlstandes sei die eigentliche Aufgabe der Politik. Dieses Szenario verspräche auch der Landwirtschaft bessere Zeiten. Dazu müsse sie aber gärtnerischer werden und ihre Potentiale intelligenter nutzen.  

Auf diese Aufforderung Radermachers ging das Forum beim letzten Aschermittwochsgepräch konkret ein mit dem Kaiserstühler Gärtner Christian Hiß. Er hat bei seinem regionalen Engagement im Raum Freiburg erkannt, dass in der herrschenden Ökonomie nur diejenigen, die am wenigsten Rücksicht auf Boden, Tiere, Umwelt und soziales Umfeld nehmen, schwarze Zahlen schreiben. Deshalb hat er diese Ökonomie studiert und die Ursache in der aus der Industrie stammenden Buchhaltung erkannt. Deshalb schlägt er Richtig Rechnen vor, das auch ökologische und soziale Leistungen und Kosten integriert. Diese Einsicht bestätigt auch ein zum Jahresende heraus gekommenes Buch über die Pionierin des biologischen Landbaues Maria Müller. Sie hat im Garten auf dem Möschberg im Schweizer Emmental die Wurzeln eines wirklich alternativen Landbaues gesetzt. Weil politische Agrarwenden und -reformen aber immer weiter von dieser regionalen Verwurzelung entfremden, ist Kulturwandel statt Strukturwandel unser Motto. Wir haben erkannt, dass die Zukunft der Schwarzwaldbauern  keine sektorale oder regionale Frage ist, sondern die volkswirtschaftliche Frage, wie Gesellschaft und Wirtschaft mit der Landwirtschaft als Urproduktion auf dem Boden mit Sonnenenergie umgehen.

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