Über dieses aktuelle Thema sprach zum International Tag der Berge der Alpenprofessor Werner Bätzing im Land-haus Lauble am Fohrenbühl. Seine lebenslange Forsch-ung in den Alpen hat der Kulturgeograf vor 3 Jahren in einer Streitschrift zur Zukunft der Alpen zusammen-gefasst. Jetzt ist er unserer Einladung in den Schwarz-wald gefolgt um seine Erkenntnisse und Szenarien vor-zustellen. Wie wir glaubt er, dass sie im Grunde auch für den Schwarzwald gelten. Denn die Probleme der Verwil-derung der Gebirge in Europa seien keine Probleme der Gebirge, sondern frühe Zeichen von Grundsatzproblemen unserer modernen Welt. Mit Bildern und Zahlen zeigte er wie die unteren Alpentäler verstädtern, in den Alpen Tourismusgettos entstehen und die übrige Landschaft vor allem in den Südalpen aufgelassen wird. Kulturelle Verwilderung nennt er diesen Prozess, weil die Kultur-landschaft zum Rest wird und die kulturelle Diversität verloren geht.
Diese kulturelle Diversität bestand aus einer Vielfalt angepasster Nutzungen, die nicht nur die Schönheit der Alpen ausgemacht hat, sondern im Vergleich untereinander neue Ideen und Innovationen hervorbrachte. Der Verlust dieser Vielfalt zeigt sich im Gesichtsverlust und damit dem Verlust des Heimatgefühls in monotonen Orten. Das Kernproblem sieht Bätzing darin, dass die Natur als Material gesehen wird und als solches vermessen wird. Die bis in die 1950er Jahre entwickelte Hochkultur sei damit von den Menschen getrennt worden. Das schlimmste aber sei, dass mit dem Ver-schwinden des sparsamen Lebens und kleinräumigen Wirtschaften in den Bergen, die Gefahren für Naturkatastrophen übersehen wurden.
Weiter so heiße also, Konzentration in den Städten an den Alpen und Freizeitparks in den Bergen. Da Landwirtschaft nicht mehr mithalten kann, nimmt die Verwilderung der Kulturlandschaft zu. Verwilderung sei aber nur das Gegenbild der Naturzerstörung durch Überbauung. Bätzing sieht weitere Szenarien für die Entwicklung in den Alpen. Einmal könnte eine Wirtschaftskrise einen Bruch bewirken, der neue Denk-möglichkeiten eröffnen könnte. Aber der Tourismus würde als Wirtschaftsfaktor schrumpfen und nur Selbstversorgungsmöglichkeiten würden bleiben. Eine solche Krise könnte den neoliberalen Trend stärken, nach dem der Staat sich auf verstädterte Räume konzentriert und die dezentrale Infrastruktur aufgibt. Bätzing’s Wunschszenario nennt er „Dezentrale Aufwertung“. Zu einer umwelt- und sozialverträglichen Regionalwirtschaft, die Bodenhaftung mit Effizienz verbindet. Basis ist die Bergland-wirtschaft mit Qualitätsprodukten. Weil es dafür in den Bergen aber kaum einen Markt gibt, müssen Zielgruppen in den Metropolen gefunden werden. Mit dieser nach außen offenen Strategie hebt sich Bätzing deutlich ab von den üblichen Thesen der Regional-entwicklung. Als Beispiele nannte er die alte Esskultur mit Kastanien in den Südalpen oder besondere Rebsorten zur Spezialität zu machen. Allerdings hat auch Bätzing die Gefahr erkannt, dass solche Projekte gern von den Mächten des Marktes vereinnahmt werden und die Wertschöpfung dann wieder aus den Bergen abwandert. Deshalb brauche es mehr als wirtschaftliche Entwicklung. Berge brauchen eine starke Identität mit ihrer Umwelt, Geschichte und Kultur, als Wurzeln für das eigenständige Entwicklung in den Bergen.
In einem Schwarzwaldbauerntreff im Januar wollen wir diese Impulse aus den Alpen mit der Situation im Schwarzwald vergleichen.