Wie wollen wir leben?

Am 5. Januar 2024 haben wir uns im Freizeitheim Altenburg in Tennenbronn getroffen. Nicht mit Traktoren zum Protestieren, sondern zu einem Seminar zum Nachdenken: wie wollen wir leben? Denn die großen Traktoren sind das Symbol der Strukturwandel genannten Entwicklung, in der seit Jahrzehnten die Traktoren größer, aber die Bauern weniger und nicht zufriedener werden. Deshalb hat das Forum die Bauernforscherin Elisabeth Loibl von der ehemaligen Bundesanstalt für Bergbauernfragen in Wien eingeladen. Sie hat 30 Jahre das Leben von Bäuerinnen und Bauern auf ihren Höfen in verschiedenen Ländern erforscht. Dabei ist ihr aufgefallen, dass Bäuerinnen und Bauern mit der Abhängigkeit von der Natur leichter umgehen, als mit politisch angeordneten Maßnahmen und ist dieser Erkenntnis auf den Grund gegangen. Es ist die Sicht auf unsere Erde, erklärt sie in ihrem Buch Tiefenökologie.

Tiefenökologie

Die Tiefenökologie interessierte auch ihre inzwischen 80jährige Lehrerin Veronika Bennholt-Thomsen. Die überraschte mit ihrem Besuch das Forum. Eine Ehre, denn schon 2007 war sie Referentin beim Aschermittwochsgespräch, zu der Frage, warum die Bauern nicht ihr Eigenes verteidigen. Dieses Eigene nennt sie Subsistenzperspektive. Als Möglichkeit sich eigenständig lokal und regional versorgen zu können. Diese Selbstversorgung ist hierzulande mit dem Wirtschaftswunder den Supermärkten gewichen und hat den Sinn geraubt. Um das zu erkennen, musste die Volkskundlerin in der Dritten Welt forschen. Auch Peter Volz von der Freiburger Forschergruppe Agronauten ist gekommen, die sich mit der Aktivierung der regionalen Versorgung bemüht.

Geld oder Leben

Elisabeth Loibl verstand es in dem Seminar geschickt, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse mit dem eigenen Leben der Teilnehmer zu verbinden. Wodurch die übliche Suche nach Schuldigen und Feindbildern ebenso unterblieb wie Forderungen an die Politik. Vielmehr erklärte Elisabeth Loibl, warum in unserem Wirtschaftssystem die Lebensweise von Bauern und Bäuerinnen an den Rand geraten ist und wie das mit unserem Weltbild zusammenhängt. Unser dominantes Wirtschaftssystem sei gegen das Leben gerichtet, klärte sie auf und habe nicht nur die Bauern in eine Kultur der kollektiven Traumatisierung oder Überlebensangst gelenkt. Dabei sei ein Graben entstanden zwischen Leben zerstören und Leben erhalten. Um diesen Graben zu überbrücken, ermunterte Elisabeth Loibl die Teilnehmer in Kleingruppen Lösungen zu diskutieren.

Denkvermögen nutzen

Ins Zentrum steht für Elisabeth Loibl die Frage, wer wir sind? Denn die Moderne hat das Leben auf Geld fixiert und das menschliche Denkvermögen darauf beschränkt. Doch trotz diesem rationalen denken, entscheiden wir überwiegend emotional nach Gefühlen. Produkte und Dienstleistungen würden soziale Bindungen ersetzen, weil Fürsorge und Bindung zum Menschsein gehören, betonte . Elisabeth Loibl. Bindung würde heute aber als Tradition und rückständig gesehen oder romantisch verklärt. Die traditionelle Bindung, die es auf Höfen und Feldern noch gibt, sei keine Last, sondern eine Quelle für Kreativität, weil Bindung Bewahren des Lebens bedeute. Dabei erinnerten sich Teilnehmer, dass die Anfänge der Uhrenindustrie ja auf Schwarzwaldhöfen begonnen habe.

Die andere Gesprächskultur

Sichtweisen und Meinungen sind so verschieden wie die Menschen und ihr Umfeld, wodurch Konflikten mit angeordneten Regeln programmiert sind. Elisabeth Loibl empfahl verschiedene Meinungen zu respektieren, denn darin läge auch das Potential zum Konsens. Dazu übte mit den Seminarteilnehmern gewaltfreie Kommunikation. Im Gegensatz zu üblichen Rechtfertigungs-debatten, redet dabei konsequent Eine oder Einer nach dem anderen und alle anderen hören zu. Diese Gesprächskultur wird Weg des Kreises genannt und führt durch Zuhören zum Verstehen und Nachdenken und schlussendlich zu einer gemeinsamen Sicht. So entstehe eine liebvolle Sicht auf die Erde und die Menschen, fasste Elisabeth Loibl das Seminar zusammen. Diese Impulse setzt das Forum beim Aschermittwochsgespräch am 14. Februar im Brigachhaus fort um die hochaktuelle, aber verdrängte Frage: Faire Preise oder Subventionen?

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