Dazu fordert die ehemalige Landestierschutzbeauftragte Dr. Cornelie Jäger auf mit ihrem Buch „Die Sache mit dem Suppenhuhn – wie landwirtschaftliche Tierhaltung allen gerecht wird“. Bei einem Vortrag im Umweltzentrum Villingen-Schwenningen am 11.Oktober 2019 hat die Tier-ärztin ihre Erkenntnisse aus dem Spannungsfeld der Nutztierhaltung zwischen Ernährung, Handel, Öko-nomie und Biodiversität, Klima und Umwelt vorgestellt. Sie beschreibt, wie sich das Verhältnis der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zur Gesellschaft gewandelt hat und macht Vorschläge zur Lösung der Konflikte.
Seit die Menschen sesshaft geworden sind, halten sie Nutztiere. Denn sie haben ihre Ernährung gesichert, weil sie auch Grasland, das Menschen nicht direkt nutzen können, zu Nahrung veredelten. Nutztiere dienten ihnen als Zugkraft zum Ackern und mit ihrem Mist förderten sie die Bodenfruchtbarkeit. Im Laufe der Ent-wicklung verwerteten Nutztier auch die Abfälle von Acker und Garten. Mit dem Wirt-schaftswunder und der grünen Revolution konzentrierte such die Tierhaltung auf die Nachfrage nach billigen Eiern, Fleisch und Milch. Dafür wurde sie rationalisiert und spezialisiert und brauchte konzentriertes Futter. Nutztiere sin so vom multifunktionalen Nahrungsergänzer zum Nahrungskonkurrenten der Menschen geworden. Als die Folgen für Landschaft, Artenvielfalt, Grundwasser, Klima und Umwelt in der Gesell-schaft bewusst wurden, begann ihr Widerstand. Mit Schlagworten wie Massentier-haltung und Forderungen an die Politik nach Tier-und Umweltschutz. Weil die Politik aber in diesem System gefangen ist, versucht sie nur technische Details des Systems zu regeln. Weshalb die Konflikte um die Nutztierhaltung weiter schwelen. Als Ausweg aus dieser komplexen Problematik hat die ehemalige Landestierschutzbeauftragte drei bemerkenswerte Leitgedanken entwickelt für ein zukunftsfähige Rolle der Nutztiere:
Leitgedanke 1: Moderne Multifunktionalität der Nutztiere ausbauen und Kreisläufe schließen Mit Blick auf die Welternährung muss die Nahrungskonkurrenz Nutztiere – Mensch überwunden werden, indem Nutztierhaltung auf die Nutzung vom Menschen nicht nutzbarer Kulturen orientiert wird. Mit Blick auf Klima und Umwelt ist die Konzentration der Nutztierhaltung in bestimmten Regionen das Kernproblem, das nur zu lösen ist, wenn das Verhältnis Tiere und Fläche in Einklang gebracht wird. Oder einfacher, wenn ihr Mist dorthin kommt, wo das Futter herkam. Mit Blick auf die Politik schlägt sie Bonuspunkte in der Förderung für Multifunktion und geschlossene Kreisläufe vor. Diese Ansätze würden die Graslandgebiete mit ihrer Multifunktion wieder stärken.
Leitgedanke 2: Fürsorglich und tiergerechter Dazu sind physiologische und ethische Aspekte in Einklang zu bringen. Die Erfahrung zeigt, dass dazu Gesetze nicht reichen. Wichtiger ist die flächendeckende Umsetzung von Erkenntnissen in das Bewusstsein der Tierhalter wie der Gesellschaft. Außerdem müssen diese Aspekte in der Tierzucht bei der Gewichtung in der Zuchtwertschätzung in den Vordergrund gerückt werden.
Leitgedanke 3: Transparenz und Wertschätzung Ein Wirrwarr von Begriffen und Labeln wächst. Handel und Politik wetteifern mit Siegeln ums Tierwohl. Doch die Wertschätzung über die Erzeugerpreise verbessert sich nicht im erforderlichen Maß. Um Transparenz über die Werte verschiedener Haltungs-verfahren zu schaffen, schlägt Jäger ein staatliches, einfach nachvollziehbares Stufensystem bei allen tierischen Erzeugnissen vor, ähnlich wie es bei den Eiern eingeführt ist: 0 = ökologische Haltung, 1 = Freilandhaltung, 2 = Bodenhaltung, 3 = Käfighaltung. Diese Leitgedanken verdienen es, von der Landwirtschaft aufgegriffen und in die Diskussion eingebracht zu werden. Das Buch liefert dazu die Fakten.