Das war die Botschaft von Martin Ott aus Rheinau bei unserem Erntedankgespräch am 24. Oktober 2019 im Brigachhaus. Wer das nicht befolge, ernte nicht. Martin Ott liebt, wie er sagt, die Art nicht alles zu glauben und verfolgt die Vision einer guten Landwirt-schaft, die Boden, Pflanzen, Tiere und Menschen vereint. Dazu restauriert er jetzt den zweiten Schweizer Gutsbetrieb vom nicht mehr tragfähigen Großbetrieb, wie ihn der Strukturwandel immer noch anstrebt, zu einem sozialen und ökologischen Versor-gungssystem. Damit sich Landwirtschaft nicht weiter von der Gesellschaft entferne, wie sich die Vorstellung von Tierhaltung über Büchsenesser zu Vegetariern und Gnaden-höfen verschoben habe. Denn die Versorgung durch Weltkonzerne verkaufe auch uns Landwirten die gleichen Traktoren, für die wir gleiche Hallen und dazwischen ihre gleichen Pflanzen bauen. Diese Globalisierung führt zur Einfalt. Dagegen hat Bauer Martin Ott auf dem Gut Rheinau Vielfalt aufgebaut, an Pflanzen, Tieren und Menschen.
Ernten, Melken und regionale Wertschöpfung war sein Thema. Ernten ist für Martin Ott mehr als Produkte zu ernten um sie zu verkaufen. Dieses Denkmodell verkaufe die Landschaft statt Boden, Pflanze, Tier für Menschen aufzubauen. Mit der Milch von Kühen, die mehr Milch geben, weniger Kälber bringen, mehr Antibiotika brauchen und auf ihren Klauen nicht mehr laufen können, würden die Herden verkauft. Doch 97 % der Tiere seien Nutztiere, davon die Hälfte Rinder, davon wieder die Hälfte Kühe, deren Hälfte Holsteiner und die Hälfte davon hätten bereits die gleiche Genetik. Mit solchen Folgerungen weist Martin Ott auf den Denkfehler des industriellen Leistungsdenkens hin, das Einfalt produziert und das ökologische Gleichgewicht stört. Eine gute Landwirt-schaft sei eben das Gegenteil der Erdölförderung.
Melken offenbare das Verhältnis Kuh und Bauer, denn nur wenn die Kuh den Bauer wie das Kalb liebt, gibt sie ihm Milch. Deshalb hat der ehemalige Lehrer Martin Ott das Buch geschrieben „Kühe verstehen“. Das Glückblatt hat ihn dafür Mann im Korb genannt, wodurch er erst medial bekannt geworden sei. Doch damit begnügt sich Martin Ott nicht. Das Melken der Wiederkäuer ist für ihn mehr, es dient dem Aufbau von Humus und Bodenfruchtbarkeit. Wenn alle Bauern auf der Welt so dächten und die Kühe wieder mit Gras fütterten, hätten wir keinen Klimawandel, ist Martin Ott überzeugt.
Regionale Wertschöpfung ist der Kern Martin Ott’s Vision. Sie ist das Gegenteil der globalen Konzerne, die die Welt noch als Scheibe sähen und alle Überbringer schlechter Nachrichten über den Rand drängen. Die Welt sei aber eine Kugel, wo die Sonne auf jeden Punkt anders trifft und deshalb der Boden nirgends gleich ist. Am Vergleich Emmental und Entlebuch machte er deutlich, wie benachbarte Täler sich unterschied-lich entwickelt hätten und die lokale Besonderheiten in den Bergen sind. Im globalen Wettbewerb werden sie verdrängt und die Wertschöpfung fließt ab. Deshalb ist Stand-ortbezogenheit für Martin Ott der Schlüssel zur regionalen Wertschöpfung.
Eine gute Landwirtschaft muss nach Martin Ott mehr Humus aufbauen als die Natur allein kann, sonst verliere der Mensch seine Berechtigung wie in Nationalparken. Denn dort übernehme der Wolf die Rolle, die Tierwelt in Bewegung zu halten, damit Vielfalt entsteht. Eine gute Landwirtschaft sei die Kunst mit Boden, Pflanzen und Tiere Mehr-wert für Menschen zu schaffen. Das kann die Landwirtschaft als einziger Sektor und kann deshalb keine Industrie sein. Darum sieht uns Martin Ott heute in einer ähnlichen Situation wie bei der Sesshaftwerdung der Menschheit, die mit der Kuh zusammenhänge. Auf der Suche nach einem neuen Umgang mit der Natur. Den Landwirten falle die Rolle des Übersetzers der Natur für die Gesellschaft zu. Weil Menschen nur glauben, was sie sehen, ist die Wahr-nehmung (von Natur) ihre zentrale Schwäche. Deshalb fordert Martin Ott Mut zum Streit, wie im englischen Unterhaus, denn nur aus der Kraft des Streitens ändere sich die Welt. Die Herausforderung dabei ist es, die Spannung zwischen Vision und Realität auszuhalten!
Für uns die Herausforderung, dem Strukturwandel als Realität eine eigene, individuelle Vision vom guten Leben auf unseren Schwarzwaldhöfen entgegen zu stellen. Über diese Impulse von Martin Ott wollen wir uns beim nächsten Treffen unterhalten.