Während in Berlin das Davos des Agrobusiness. wie sich die Grüne Woche selbst nennt, eröffnet worden ist und auf der Straße wieder Tausende gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft demonstriert haben, gingen wir der Problematik beim Schwarzwaldbauerntreff im Löwen in Furtwangen-Rohrbach auf den Grund. Gesprächspartner war Christian Hiß von der Regionalwert-AG in Freiburg. Er erklärte uns, dass unsere Art der Erfolgsrechnung den Strukturwandel in eine nicht nachhaltige Richtung treibe, weil sie ökologische und soziale Folgen nicht erfasst. Als biologisch-dynamischer Gärtner war ihm aufgefallen, wie unsere Finanzbuchhaltung als „lohnt sich nicht“ erklärt, was eigentlich nachhaltig wäre. Als Beispiel erzählte er, wie ihm die Steuerberatung erklärt habe, dass es sich nicht lohne, eigenes Saatgut zu erzeugen, es aber wirtschaftlich sei, nicht weiter vermehrbares Hybridsaatgut zu kaufen. Für Christian Hiß war das vor 18 Jahren Anlass unsere Ökonomie zu studieren und zu erforschen. Das Kernproblem erkannte er in der Gewinnermittlung nach dem aus dem 19. Jahrhundert stammenden Handelsgesetzbuch, wie sie in den letzten Jahrzehnten auch der Landwirtschaft übergestülpt wurde. Diese Art zu rechnen nennt er Misserfolgsrechnung, weil nach ihr Gewinn entsteht, wenn Kosten für Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Kulturlandschaft, Umwelt und sozialen Belangen gespart werden.
Als Erster hat Christian Hiß diesen Denkfehler als Ursache der Industrialisierung der Landwirtschaft in seinem Buch „Richtig Rechnen“ beschrieben. Der Ko-Vorsitzende des Club of Rom, Ernst Ulrich von Weizsäcker, hat ihn mit einem Vorwort unterstützt. Christian Hiß schlägt einen Paradigmenwechsel der Finanzbuchhaltung vor, indem ökologische und soziale Faktoren als Kosten und Erträge in die Kontenpläne aufgenommen werden. Um wirklich nachhaltiges Wirtschaften in regionalen Kreisläufen wettbewerbsfähig zu machen. Diese Ergebnisse könnten dann auch Grundlage für gerechte agrarpolitische Ausgleichszahlungen bilden. Natürlich machen solche zwar logische Gedanken zunächst Angst vor weiterer Bürokratie, wie die Diskussion zeigte. Denkt man Christian Hiß‘s Vorschlag aber zu Ende, würde die Integration ökologscher Leistungen und Schäden in die Finanzbuchhaltung unsere jetzige Agrarbürokratie ehr vereinfachen und auf eine gerechte Basis stellen. Richtig Rechnen ist deshalb ein Grundstein für unser Motto Kulturwandel statt Strukturwandel!
Mehr in seinem Buch: https://www.oekom.de/nc/buecher/gesamtprogramm/buch/richtig-rechnen.html