Während Mahnfeuer wegen ökologischen Auflagen entzündet werden und Landwirte mit Traktoren für mehr Wertschätzung demonstrieren, hat sich in Freiburg am 5. November eine internationale Gruppe von Bauern und Wissenschaftlern getroffen um über die Zukunft der Landwirtschaft nachzudenken. Eingeladen hatte Christian Hiß als Vorstand der Regionalwert AG und Mitglied der Forschungsgesellschaft Die Agronauten.
Im Bild einige Teilnehmer v.l. Siegfried Jäckle vom Forum, Franz Rohrmoser, Ernst Halbmayer und Ewald Günzweil aus Österreich, Thomas Hogmann aus Schweden vor dem Restaurant Adelshaus der Regionalwert-AG
Der Initiator Christian Hiß hat erkannt, dass wir mit stumpfen Schwertern kämpfen, solange die herrschende Ökonomie auf Boden, Klima und Vielfalt sowie soziale und regionale Werte keine Rücksicht nimmt. Mit dem Projekt „Richtig Rechnen in der Landwirtschaft“ will er diesen Trend umkehren, um die multifunktionale regionale Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen und eine gerechte Basis für die Förderung nachhaltigen Wirtschaftens zu schaffen. Dazu setzt das Projekt an der Buchhaltung an. Bei dem Kolloquium wurden die ersten Ergebnisse von 4 Höfen vorgestellt und diskutiert.
Das Projekt Richtig Rechnen sprengt die die herrschende betriebswirtschaftliche Sicht, indem es auch die volkwirtschaftlichen Leistungen für Artenvielfalt, Boden, Klima und regionale Kreisläufe integriert. Die klassische Finanzbuchhaltung erfasst zwar den Mehraufwand für umweltgerechtes und soziales Wirtschaften. Deren Leistungen werden aber nicht bewertet, weshalb die Wirtschaftsweisen im Vorteil sind, die Kosten für Umwelt und Soziales sparen. Versuche diese Leistungen mit Marketing bewusst zu machen, schlagen sich im Erzeugerpreis fast nie nieder. Diese paradoxe Situation ist bei den derzeitigen Demonstrationen der Landwirte herauszuhören. Auch die politische Förderung mit Greening und Agrarumweltprogrammen schafft diesen Ausgleich nicht, wie die ersten Ergebnisse des Projektes zeigen. Mit dem Projekt Richtig Rechnen wird versucht, die tatsächlichen ökologischen und sozialen Leistungen des Einzelbetriebes zu erfassen, zu interpretieren und zu monetisieren. Dazu sind im ersten Forschungsprojekt aus 100 sozialen, ökologischen, tierschützerischen und regionalen Leistungswerten die ökonomisch relevanten Werte in 4 unterschiedlichen Betrieben ausgewählt worden. Die beteiligten Bauern nannten darin einen Ausweg aus dem Spannungsfeld Ökonomie – Ökologie und sehen Spielraum zur Gestaltung einer nachhaltigen regionalen Entwicklung und für einen faire Förderung der Leistung anstelle der Fläche.
Der Nachhaltigkeitsdiskurs erhält mit dem Projekt Richtig Rechnen einen reformerischen Impuls. Ging es doch bisher nur darum, die Ökonomie um ökologische und soziale Anforderungen zu ergänzen, will Richtig Rechnen auch die Ökonomie nachhaltig machen. Die war mit der Industrialisierung entstanden und von der Landwirtschaft übernommen worden, weshalb sie die Industrialisierung der Landwirtschaft fördert. Dadurch spaltetet sich das Verhältnis von Gesellschaft und Landwirtschaft, weil die Preise der Lebensmittel und die von idyllischen Bildern geprägten Vorstellungen von Landwirtschaft immer weiter auseinanderdriften. Von der Politik geforderte Reglementierungen der Entwicklung verstärken die Gereiztheit der Debatte, verdrängen aber die Ursachen in unserer Konsumkultur. Deshalb brauche eine wirkliche Nachhaltigkeitsarchitektur nachhaltige Maßstäbe für den Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. Aus diesen Gründen geht es im Projekt Richtig Rechnen nicht zuerst um höhere Erzeugerpreise, sondern um Transparenz des Komplexes unseres Ernährungssystems mit Umwelt und Klima. Ein Lernprozess für Experten, Bauern und Gesellschaft, nachhaltig rechnen zu lernen. Der nächste Schritt zur Erprobung in den Regionen Europas verspricht eine Vertiefung der gewonnenen Einsichten.
Weil dieser Denkansatz auch die Rolle der Schwarzwaldbauern in unserem Sinne verbessern könnte, haben wir Christian Hiß zu unserem Aschermittwochsgepräch am 26. Februar 2020 eingeladen.