Das neue Jahr hat turbulent angefangen. Die Schlagzeilen der Coronastatisk wechseln mit Bildern der Staus von Lastzügen trotz Brexitdeal an den britischen Grenzen, dem Sturm auf das Kapitol als Symbol der amerikanischen Demokratie, Bauernprotesten auch in Indien und der Freude im Lockdown am Schnee in den Bergen. Aber Schlagzeilen vereinfachen und verwischen Ursache und Wirkung. Und verlangen nach Regelungen, Kontrollen und Strafen statt über Ursachen aufzuklären und Einsicht zu fördern. Stattdessen wird mit immer mehr Maßnahmen und Schutzimpfung Hoffnung auf Normalität versprochen. Normal ist in dieser Jahreszeit nur das Wetter.
Ist Normalität die Perspektive?
Die gewohnte Normalität hat sich in den Monaten der Pandemie als Abhängigkeit von Fremdversorgung offenbart. Einer Abhängigkeit von billigen Arbeitskräften irgendwo sowie Rohstoffen und Energie. Die Folgen dieser auf Wettbewerb um den billigsten Anbieter gegründeten Versorgungskultur verspüren Schwarzwaldbauern schon länger doppelt. Durch Preisdruck bei den Erlösen und dem Wandel der natürlichen Verhältnisse infolge der Klimaerwärmung und Kritik am Verlust der Vielfalt, die eigentlich zur Anpassung notwendig wäre. Dabei wird die Werbung der Konzerne mit Billigpreisen immer aggressiver, während die Produkte in ihren Regalen mit Bildern von romantischen Bauernhöfen und Tieridyllen geschmückt sind. Politik und Medien fördern dieses Paradox noch, indem sie die Landschaft in Nutz- und Pflegegebiete teilen. Bäuerinnen und Bauern in den Bergen fühlen sich in dieser paradoxen Situation als Ökoalibi missbraucht, weil sie im zugleich geförderten Wettrennen um den Billigsten die Verlierer bleiben. In einem Rückblick auf unserer Homepage haben wir überlegt, was wir aus dem Jahr 2020 lernen können: https://forumproschwarzwaldbauern.de/was-koennen-wir-aus-dem-jahr-2020-lernen/
Regenerativ – die neue Landwirtschaft?
Dieser Begriff taucht in jüngster Zeit zusammen mit Klimaschutz immer häufiger auf. Gemeint ist damit eine Wirtschaftsweise, die Bodenfruchtbarkeit aufbaut, um Wasser besser zu halten und mehr CO2 zu speichern. Schon werden Wundermittel dazu angeboten. Im Weg steht jedoch die Spezialisierung auf Monokulturen. Denn Humus aufbauen heißt Fruchtwechsel, differenzierte Grünlandnutzung und Agroforst anstelle der Trennung von Wald und Weide. Eigentlich eine Fortschreibung der traditionellen Reutfeld- und Feldgraswirtschaft im Schwarzwald oder der klassischen Dreifelder- und späteren Fruchtwechselwirtschaft in Gunstlagen. Weil dabei die Standorteigenschaften in den Vordergrund treten, kann es keine globalen Patentrezepte oder gar Richtlinien geben. Vielmehr ist Freiheit zum Probieren, regionalen Gestalten und Erfahrungen austauschen wichtig. Da wir uns derzeit nicht treffen können, fügen wir ein Interview mit der Vordenkerin Maja Göpel bei, die wir zum Aschermitt-wochsgespräch gerne eingeladen hätten.
Unser aktueller Lesetipp: Abschied vom Größenwahn – Wie wir zu einem menschlichen Maß finden? Die Verfasser Ute Scheub und Christian Küttner denken darin in unserem Sinne die regenative Landwirtschaft weiter auf Leben, Wirtschaft, Gesundheit und Demokratie.