Der neue Minister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir hat am zweiten Weihnachtstag verkündet, dass er ändern will, dass Ramschpreise Bauernhöfe in den Ruin treiben, mehr Tierwohl verhindern, das Artensterben befördern und das Klima belasten. Diesen logisch klingenden Symtomen folgten in den Medien wieder die alten Argumente , dass sich nicht alle teurere Lebensmittel leisten können, sie durch die Inflation ohnehin teurer würden und die Supermärkte immer mehr Produkte mit Öko- und Tierwohllogos anbieten. Nur der paritätische Wohlfahrtsverband bemerkte in einem Nebensatz, dass die Debatte nicht zu Ende gedacht sei, weil höhere Auflagen eine Spirale lostrete, bei der die kleinen Bauern hinten runter fallen. Also den Trend der Zahl der Höfe und der Landnutzung, wie ihn die obige Grafik zeigt, nicht ändert. Denn due Ursachen der von Özdemir genannten Symtome liegen in den
- Widersprüchen der EU-Agrarpolitik
Obwohl wir seit 65 Jahren in der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, stehen immer noch dieselben Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik in der EU-Verfassung:
- Das Einkommen der Landwirte soll verbessert werden
- mittels Steigerung der Produktivität durch Nutzung des technischen Fortschritts;
- zur Sicherung der Nahrungsversorgung der Bevölkerung;
- und Stabilisierung der Märkte
- zu angemessenen Preisen für Verbraucher.
Die Widersprüche zwischen diesen Zielen sind nicht bearbeitet, sondern durch unzählige EU-Regelungen für Tier- und Umweltschutz verstärkt oder durch die Globalisierung ausgehebelt. Hoffnung könnte die Einsicht im Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts 2021 des Bundeswirtschaftsministeriums geben:
Gesamtwirtschaftliches Wachstum, gemessen am Zuwachs des Bruttosozialprodukt, ist eine notwendige, aber längst noch keine hinreiche Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand, Beschäftigung, Teilhabe und soziale Sicherheit. Hoffen wir, dass diese Einsicht auch in der Agrarpolitik wächst.
- Ignorierten Standortunterschieden
Seit der Globalisierung ist Wettbewerbsfähigkeit das politische Leitbild. Wettbewerbe wurden im antiken Olympia jedoch nur unter gleichen Bedingungen ausgetragen. Wirtschaft und Landwirt-schaft arbeiten aber unter ungleichen Standortbedingungen, weshalb hier Wettbewerb spaltet zwischen Stadt und Land, Tal und Berg und Acker und Grasland. Dieses Wettbewerbsdenken erinnert mehr an die biblische Geschichte von Kain und Abel als an Olympia. Über den Ausgleich mit Schutz- und Pflegemaßnahmen in der Landschaft hat sich vor bald 20 Jahren der Agrar-soziologe Götz Schmidt bemerkenswerte Gedanken gemacht, Und betont, dass wir die Landschaft nicht möblieren müssen, sondern peublieren. Dass sie mehr Menschen braucht, die sie kultivieren.
- Landwirtschaftlichen Irrtümern
Wie entfremdet die Wohlstandgesellschaft von der Land- wie von der Marktwirtschaft Zeigt die Debatte um Özdemir’s Botschaft. Schon vorher hatten wir in unseren Weihnachtsgedanken an die landwirtschaftlichen Irrtümer erinnert, die der amerikanische Farmer und Schriftsteller Wendell Berry vor 35 Jahren beschrieben hat. Durch die Debatte haben wir uns tiefer damit auseinander-gesetzt und festgestellt, dass diese Irrtümer mehr denn je herrschen. Unsere Erkenntnisse daraus unter: https://forumproschwarzwaldbauern.de/die-landwirtschaftlichen-irrtuemer-ueberwinden/
Unser aktueller Lesetipp: DAS ÖKOHUMANISTISCHE MANIFEST von Pierre L. Ibisch und Jörg Sommer aus dem Hirzel-Verlag. Ein spannendes Büchlein, weil es nicht nur Probleme analysiert, sondern auch die Lösungsvorschläge oft als naiv entlarvt und als Fazit die Erdung unseres Wirt-schaftens und Lebens fordert. Unterstützt von einem klaren Nachwort von Albero Acosta, über ihn mehr unter: https://forumproschwarzwaldbauern.de/das-gute-leben-ist-mehr-als-klimaschutz/