Die Zucht ist das A und O für den Kulturwandel

Wie Landwirtschaft auch anders geht, haben wir bei der Infotour am 21. September 2022 in die Nordwestschweiz erlebt. Zwei grundverschiedene Höfe haben wir dort besucht, ihre Bauern denken aber ähnlich. In Rothrist im Aaretal wurde am Vormittag der Lehenhof der  Familie Braun besucht. Hans Brauns brachte seine Erfahrungen mit der Mainstreamlandwirtschaft gleich auf den Punkt: damit tanzen wir auf wackeligen Seilen. Denn daran verdienen andere immer,  die Bauern aber immer weniger.  Hans Braun hat sich deshalb von Hochleistungsstrategie abgewandt und lässt die Kühe und die biologische Vielfalt für ihn arbeiten. Mit Zahlen belegte er, wie der für Hochleistung nötige Aufwand den Arbeitsverdienst auffrisst. Zwar liegt der Lehenhof auf trockenheitsanfälligen Schotterböden an der Aare, weil Weide aber dennoch das billigste Futter ist, hat er seine Wirtschaftsweise um die Weide organisiert.  

Das A und O für die Vollweidestrategie sieht Hans Braun in der Zucht, denn mit kraftfutterabhängigen Hochleistungskühen sei in eine andere Richtung nicht vorwärts zu kommen. Aus langlebigen Kuhstämmen statt hoher Tagesleistungen hat er seine Zucht robuster Weidekühe entwickelt. Die Spezialisierung zwischen Milch- und Fleischrindern, wie sie mit Spermasexing aktuell perfektioniert wird, lehnt er ab und setzt auf die naturgemäß auf Milch von den Kühen und Fleisch von Stieren. Auch die Kälber werden auf dem Lehenhof ohne Kraftfutter aufgezogen. Sie dürfen tagssüber an den Müttern saugen, wodurch Kälber und Kuheuter gesünder seien und Hans Braun  seit über zehn Jahren ohne Antibiotika auskommt.

Nachdenklich muss stimmen, dass so konsequent naturgemäß und klimafreundlich erzeugte Milch und erzeugtes Fleisch am Markt nicht honoriert wird du im Direktverkauf die Menge nicht abzusetzen ist. Deshalb hat der Pionier Hans Braun mit kritischen Kollegen und Wissenschaftlern Interessenten dafür gesucht und kurioserweise bei einem deutschen Discounter gefunden. Der will sich damit im Schweizer Biomarkt mit der Marke „Retour aux Sources“ abheben. Das erste Label für  kraftfutter- und antibiotikafreie Fütterung aus biologischer Vielfalt auf den Höfen. Dafür gibt es 10 Rappen Aufpreis pro Liter Milch. Das Besondere gegenüber anderen Richtlinien ist, dass sie aus Erfahrungen in der Praxis stammen.  

Am Nachmittag ging die Infotour in die Berge des Basler Jura. Dort trafen die Schwazrwäldbäuerinenn und -bauern den bekannten Gesprächspartner aus ihrem Netzwerk Martin Ott. Er hat im  Klostergut Schönthal seine neue Wirkungsstätte, um den dritten Hof zukunftsfähig zu organisieren. Sein Konzept heißt Arbeitskräfte nicht wegrationalisieren, sondern in regionaler Kreislaufwirtschaft neue Existenzen schaffen. Zuletzt hatte Martin Ott in Rheinau sogar eine Landwirtschaftsschule gegründet. So gehören Studenten von Rheinau zum jungen Team, mit dem er die ungewöhnliche Aufgabe übernommen hat, den Kunstpark Schönthal mit angepasster Landwirtschaft zu einer besuchenswerten Kulturlandschaft zu steigern. Um Kunstwerke namhafter Künstler  die Landschaft kultivieren. Dazu braucht es im Bergland Kühe. Und die bringt er samt Zuchtkonzept von der Rheinau mit. Im Unterschied zu Hans Braun, nicht auf eine Farbe und Rassen konzentriert, sondern mit dem alleinigen Ziel umgängliche Weidekühe.   

Zur Aufwertung der Landschaft braucht Martin Ott nicht Konzepte von Naturschützen, sondern nur das Lesen lernen der Landschaft und erkennen, was typisch ist. Bei einem Rundgang erklärte er, wie  im buckeligen Schönthal das Bild differenziert ist zwischen Vordergrund und Hintergrund. Im  Vordergrund sehen wir nur Weiden und Wiesen und der der Waldrand bildet mit dem Horizont den Hintergrund. Diese strikte Trennung von weide und Wald will Martin Ott auflösen,  damit die Landschaft so harmonisch werde, wie das Glockengeläut einer Kuhherde. Dazu gliedert er mit seinem Team die Landschaft mit Altgrasstreifen, Einzelbäumen und Auflockerung der Waldränder. Denn in den Zwischenräumen entstehe Neues und damit Vielfalt betont Martin Ott. Dann erst braucht er die Naturschützer, um die Artenvielfalt festzustellen. Die Schwarzwaldbäuerinnen und -bauern nahmen die Erkenntnis mit, dass es anders geht, als ich von Regeln von oben treiben zu lassen,  wenn man den Mut hat über seine Möglichkeiten nachzudenken. 

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