Auf dem Grünland sind in diesem nasskalten Frühling weder Gras und Klee noch die Kräuter wie gewohnt gewachsen. Drei Hitzesommer und der nasskalte Frühling scheinen es verändert zu haben. Oder sind es Folgen der Extensivierungs-,Bio- und Pflegeprogramme der letzten Jahrzehnte? Trotz dieser unklaren Situation setzt die aktuelle Reform der Agrarpolitik wieder auf Extensivierung des Grünlandes in Form der neuen Ökoregeln. Wohl in der Vorstellung, dass Extensivierung Wiesen und Weiden blumenbunt mache. Gleichzeitig im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit schreitet der Zuchtfortschritt von Milch- und Fleischrindern fort und fordert Futter mit höherer Energiedichte, das nur mit intensiver, also früher und häufiger Nutzung zu ernten ist und damit die Kuh zum Klimakiller macht. Der Handel suggeriert mit Bildern von weidenden Tieren Tierwohl. Die Politik hat zwar ein Umbruchverbot für Grünland verfügt, gewährt Weideprämien und gefährdet Weidetiere n durch den Schutz des Wolf. Weshalb die Administration Managementpläne macht, aber ohne die naturgemäße Ernährung der Wiederkäuer zu berücksichtigen. Gleichzeig wird in der Fachwelt von Erfolgen mit holistischem (ganzheitlichen) Weidemanagement in Afrika und im Nordwesten der USA geschrieben wird. Also nicht nur das Wetter wirkt chaotisch aufs Grünland, sondern auch die Rahmenbedingungen und Vorstellungen.
Grünland ist immer das Spiegelbild von Standort und Bewirtschaftung. Im Gegensatz zu Ackerkulturen ist Grünland eine ausdauernde Mischkultur. Die Debatte um Extensivierung oder Intensivierung von Grünland ist auf die Bewirtschaftung reduziert, so als ob Fortschritt und Globalisierung unterschiedliche Standorte alle gleich gemacht hätten. Doch in den Hitzesommern sind die Standortunterschiede wieder deutlich geworden. Denn Grünland ist, wie auch der meiste Wald, in der Regel nicht ackerwürdiges Grenzertragsland, weil es steil oder der Boden steinig oder sumpfig ist. Dabei galt die Wiese lange Zeit als Mutter des Ackers, weil sie mt dem aufgebauten Humus Ackerbau erst möglich gemacht hat. In den 1950er Jahren hat das Badische Forschungs- und Beratungsinstitut für Höhenlandwirtschaft in Donaueschingen diese Zusammenhänge aufbereitet und lange vor der Umweltbewegung als Zusammenhänge von Umwelt, Futter und Leistung dokumentiert. Neben den unterschiedlichen Anbauverhältnissen in allen badischen Gemeinden stand der Futterflächenbedarf je RGV (Rauhfutterfresser-GV) im Zentrum.
So sind quer über den Schwarzwald für Kirchzarten 105 ar Futterflächenbedarf je RGV dokumentiert, für Hinterzarten 187 ar, für Bernau 291 ar, für Urach 134 ar, für Brigach 104 ar und für Mönchweiler 89 ar. Diese Unterschiede zeigen, dass die Höhenlage allein keine genügende Aussage bietet, sondern das lokale Klima und die Bodengrundlage ebenso wichtig sind. Letztere wechseln zudem von Hof zu Hof und innerhalb jeden Hofes zwischen Talauen, Sommer- und Winterhängen. Die Debatte um intensiv oder extensiv wie auch um Bio oder konventionell muss deshalb wieder auf den Boden geholt werden. Standortgerecht wäre das logische Ziel, das auch im holistischen Weidemanagement angestrebt wird.
Den Zeigerwert der Grünlandpflanzen verstehen!
Wie die Zusammensetzung des Grünlandes vom lokalen Klima und Boden abhängt, hat das o.g. Institut für Höhenlandwirtschaft in der leider vergriffenen Broschüre Wiesenkräuter geben Auskunft für unsere Verhältnisse exakt beschrieben.
Diese Auskunft über Klima und Boden zeigte sich in diesem nasskalten Frühling besonders deutlich. Zumal weil fehlende sogar das Pionierkraut Löwenzahn kümmern lies, obwohl es fruchtbaren Boden anzeigt. Stattdessen ist der ebenfalls gelb blühende Scharfe Hahnenfuß häufiger, weil ihm nasser und damit luftarmer Boden zusagt. Auf Weiden sind infolge des lange spärlichen Graswuchses Rosettenpflanzen wie Gänseblümchen und Ehrenpreis häufiger. Sie sind einerseits Zeiger der Übernutzung im letzten Trockenjahr und andererseits Lückenbüßer, die die wegen ihrem Filz oft verpönte Gemeine Rispe in den Hitzesommern hinterlassen hat. An deren Stelle tritt vielfach das schwachwüchsige Ruchgras, die weiche Trespe und das Hornkraut, solange die Bedingungen für den Graswuchs nicht gut sind.
Entgegen der Lehrbuchmeinung haben die tiefwurzelnden und großblättrigen Kräuter wie Ampfer und Wiesenkerbel nicht zugenommen, wohl weil sie in den ausgetrockneten Böden ihre Nähstoff-ansprüche nicht decken konnten. Dagegen haben die Trockenjahre Spitzwegerich und Schafgarbe gefördert, wie auch den Rotklee. Alle drei wachsen in diesem Frühling allerdings erst, seit es wärmer ist. Vom Weißklee sollten wir uns nicht blenden lassen, weil auch er Lücken füllt, aber wenig Masse bringt. Ein guter Kleeanteil im Grünland ist vorteilhaft, weil er als Stickstoffsammler die Bodenfrucht-barkeit fördert, den Eiweißgehalt im Futter steigert und das Futter nutzungselastischer macht.
In den Höhenlagen sticht von den Gräsern der Wiesenfuchsschwanz wieder ins Auge, obwohl er nach Lehrbuch als nicht trockenheitsverträglich gilt. Zu Unrecht wird er oft verachtet, weil er früh zu blühen beginnt, aber er bringt über seine Ausläufer viel Blattmasse und zählt zu den sichersten Ertragsbildnern. Nachsaaten bleiben ein Versuch, Lücken mit wünschenswerten Gräsern zu füllen. Denn in der Regel haben nur schnell auflaufende Arten wie das Deutsche Weidelgras die Chance sich gegenüber dem Altbestand durchzusetzen.
Die natürliche Regeneration des Grünlandes fördern:
- Gräser müssen zum Wiederaustrieb in Stoppeln und Wurzeln Reserven bilden können. Weil sie der wichtigste Ertragsbildner sind, wird Grünland im englischsprachigen Raum Grasland genannt. Die Einlagerung der Reserven zum Wideraustrieb verläuft parallel mit dem Rispenschieben. Ständige Nutzung vor dem Rispenschieben erschöpft deshalb die Gräser, die keine Wurzelausläufer bilden. Weshalb auch das früh Rispen schiebendeKnaulgras besser ausdauert als Wiesenschwingel, Glatthafer oder Lieschgras.
- Auf Weiden herrschen tritt- und bissverträgliche Gräser vor, diesich über Wurzelausläufer verbreiten und so die Weidenarbe dicht machen. In graswüchsigen Lagen Deutsches Weidelgras und Wiesenrispe, in weniger wüchsigen Lagen auch Rotschwingel und Rotes Straußgras. Damit sie während der ganzen Weideperiode Ertrag bringen, dürfen sie nie kurz wie ein Rasen sein. Weshalb die Weideführung nie nach Rezept, sondern nur standortorientiert gelingt, wie es auch vom holistischen Weidemanagement betont wird.
- Die Regenration der Gräser und die Ansprüchen der wiederkauenden Rinder hängen zusammen. Denn Wiederkäuer brauchen strukturiertes Futter, wie es bei der Halmbildung entsteht. Auf der Weide mischen die Tiere ihre Ration selbst, indem sie selektieren. Kleinflächige Weidezuteilung um sauberes Abweiden zu erzwingen entspricht den Weidetieren nicht und auf großflächigen Standweiden aus unterschiedlichen Flächen werden günstige Teile übernutzt. Deshalb ist Weiden die Kunst, die Gras und Kuh am Standort in Einklang bringt.
- Die eigentliche Regenration des Grünlandes findet im Boden statt. Denn mit jedem Austrieb werden auch neue Wurzeln gebildet und die alten sterben ab. Eine Unzahl von Pilzen, Bakterien und Bodentieren bilden daraus Humus. Der französische Weideforscher Andre Voisin hat sie liliputanische Pflüger genannt. Tiefwurzelnde Kräuter und Leguminosen unterstützen das Bodenleben, wie man beim Ausgraben von Löwenzahn oder Ampfer gut beobachten kann. Gestört werden die liliputanischen Pflüger durch Bodendruck und Luftmangel bei Nässe.
- Grünland als CO2-Senke optimieren anstatt extensivieren oder intensivieren ist die neue Herausforderung um Umwelt, Futter und Leistung in Einklang zu bringen. Denn sowohl bei extremer Intensivierung wie Extensivierung verändert sich das Bodenleben, das mit dem Humusaufbau CO2 bindet und die Statabilität der Grünlandbestände bei Wetterunbilden sichert. Da Futterwert und Artenvielfalt im Widerspruch stehen, ist nur mit bodenständigen Tierhaltung auchdie Artenvielfalt des Grünlandes zu erhalten. Dazu ist Grünland differenziert statt einheitlich zu bewirtschaftet werden, nämlich Intensiv dort wo möglich und extensiver dort wo nötig.