Grasland hat das Potential für den Kulturwandel

Beim Aschermittwochsgespräch 2019 enthüllte die kritische Tierärztin Dr. Anita Idel den verkürzten Blick einfacher Antworten auf komplexe Systeme. Ja, die Kuh rülpst Methan, aber ob sie das komplexe System Klima schädigt, hängt davon ab, wie wir die Kuh einsetzen. Denn Graser, wie sie Wiederkäuer nennt, bilden mit dem Gras eine Lebensgemeinschaft, die unserer Kultur den Boden bereitet hat. Somit ist die Landwirtschaft im Klimawandel Antreiber durch Ausstoß von Klimagasen  und Opfer durch zunehmende Dürreperioden und Starkniederschläge. Was aber weder in der Klima-noch Agrardebatte erkannt ist, ist das Potential der Klimaentlastung nachhaltiger Weidesysteme.

Von der Lebensgemeinschaft Gras und Graser lernen

Lange bevor die Menschen sesshafte Ackerbauer und Viehzüchter werden konnten,  hat Ihnen die Lebensgemeinschaft von Gras und Grasern den Boden bereitet. Den Trick der Natur hat Anita Idel  im Biss der Graser erkannt, der den Gräsern einen Wachstumsimpuls gibt, der neue Blätter treiben lässt und so die Rasen der Steppen, Savannen, Pampas und Prärien bilden ließ. Ihre Schwarzerdeböden sind entstanden, weil Gräser durch den Wachstumsimpuls nicht nur neue Blätter sondern auch neue Wurzeln bilden, während Kleinlebewesen aus den alten absterbenden Wurzeln Humus aufbauen. Humus enthält über 50 % Kohlenstoff  und ist zusammen mit der Fotosynthese Teil des CO2-Kreislaufes und somit des Klimasystems. Grasland kann sogar mehr Kohlenstoff speichern als Wald, weil die Triebe von Bäumen, wenn sie abgebissen werden, keine neuen Triebe und Wurzeln und daraus Humus bilden können. Naturlandschaften hätten einen parkähnlichen Charakter durch den  Einfluss der Graser, die trockene und feuchtere Lagen unterschiedlich stark beweiden und Übergangsstrukturen lieben, auch als Apotheke der Natur.

Die Fehler im System erkennen    

Die Debatte um das sich wandelnde Klima ist von pauschalen Urteilen und einfachen Rezepten beherrscht. So werden Kühe gegen Autos ausgespielt, weil Kühe Methan ausscheiden, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Wir müssen das System angucken, fordert deshalb Anita Idel, denn es sei fatal, wie klimaschädliche Systeme immer noch belohnt werden. So ist der Mensch der Klimakiller, durch seine Ansprüche nach billiger Milch und Fleisch, die die Kuh wegen geringerer Stückkosten zu höherer Leistung von der Weide drängen. Denn höhere Leistung braucht konzentrierteres Futter, weshalb heute 50 % Getreide verfüttert und 70 % Eiweiß importiert werden und die Kuh zum Nahrungskonkurrent des Menschen wurde. Mit der Folge, dass in den Gunstlagen der Welt der Humus der Böden abgebaut wird und somit weniger CO2 gespeichert werden kann. Dazu nehmen bei dieser intensiven Produktion die CO2-Emissionen durch Düngerherstellung und wachsende Transporte zu und sind verbunden mit  Lachgasemissionen, die 295 mal klimaschädlicher sind als CO2. Anderseits ist in diesem Ernährungssystem nicht ackerwürdiges, weil hängiges, steiniges oder sumpfiges Grasland nicht mehr wettbewerbsfähig und wird zum Pflegefall wie in immer mehr Schwarzwaldtälern, wo die Landschaft (für die Freizeitgesellschaft) nur noch offen gehalten werden soll. Doch bei der oberirdischen Verrottung von Pflanzenresten entweicht ein Teil CO2 in die Atmosphäre, statt im Humus gebunden zu werden. Wobei auch Naturschutz und Klimaschutz in Widerspruch geraten. Weshalb die Mediatorin Anita Idel von allen Seiten fordert, zurückstecken, um die Balance des größten Bioms Grasland wieder herzustellen.

Denken und Handeln in fruchtbaren Landschaften

Was Anita Idel als unterschätztes Potential Grasland betont, scheinen unsere Vorfahren in den niederschlagsreichen Gebieten gekannt zu haben. Im Rahmen der Feldgras-wirtschaft nutzten sie den aufgebauten Humus des Graslandes, um zu ihrer Versorgung drauf wenige Jahre Ackerbau zu treiben und dann via Selbstberasung oder später mit Einsaat wieder mit Grasland Humus aufzubauen. Mit der CO2 ausscheidenden Mobilität von Gütern und Dünger kam es zur Spezialisierung zwischen Ackerbau und Grünland und zum Verlust dieses Erfahrungswissen.  Die neuen Herausforderungen 9783731612094_400der Menschheit sind die planetarischen Grenzen von Klima, Biodiversität und Stickstoff, um ohne Hunger in Frieden zu leben. Das Potential des Graslandes mit Weidetieren ist dabei unverzichtbar, hat Anita Idel im bereits in 6. Auflage erschienen Buch „Die Kuh ist kein Klimakiller“ zusammengefasst. Weidende Kühe als Marketing reichen dazu nicht, es braucht Denken und Handelns in fruchtbaren Landschaften, betont sie!  Von der humuszehrenden Unkultur zu einer humusaufbauenden und klimaentlastenden Kultur. Dazu gibt es keine fertigen Rezepte, aber Anita Idel nannte viele kleine Schritte zum Denken und Handeln, die wir weiter verfolgen werden:

  • Lebendige (fruchtbare) Erde entsteht nur aus grünen Pflanzen
  • Ohne CO2 kein Pflanzenwachstum
  • das Potenzial des Graslandes liegt im
    Spross-Wurzel-Verhältnis
  • Denn Wurzeln sind der Humus von morgen
  • Bodenverdichtungen erschweren die Humusbildung durch Kleinlebewesen
  • Grünlandgesellschaften sind eine kooperative Vielfalt
  • Blühstreifen reichen nicht
  • Es geht um eine Balance von Vielfalt, Stickstoff und Klima
  • Der rülpsende Pansen der Kühe macht das Potential des Grünlandes für uns erst nutzbar.
  • Indirekt hat Grünland ein großes Potential für Arten-, Boden-, Klima-, und Wasserschutz
  • Die beste Weidepflege ist die Mischbeweidung mit verschiedenen Altersgruppen und Arten
  • Parkähnliche Strukturen der Weiden kommen Pflanzen und  Tieren entgegen
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