Beim Weidegespräch am 16. Mai 2018 auf dem Bartlisjockelshof in Brigach haben wir die Aufforderung des Standortphysiologen Hartmann Heilmann beim letzten Schwarz-waldbauerntreff zur Düngung aufgegriffen, mehr Wert auf das zu legen, was wächst, statt auf Zahlen!
Doch auf das was auf den Wiesen und Weiden wächst, ist im Gegensatz zum Acker schwerer Wert zu legen, weil es Pflanzengemeinschaften sind, die von Ort zu Ort, vom Frühling bis zum Herbst und von Jahr zu Jahr verschieden sind. Deshalb lautet der wichtigste Merksatz: Der Pflanzenbestand des Grünlandes ist das Spiegelbild von Standort und Bewirtschaftung!
Früher hat man aus Erfahrung bei der Verfütterung Grünland als Fett- oder Magerwiesen- oder weiden eingeteilt. Mit den Möglichleiten der Düngung verlor diese Einteilung nach Standort an Wert. Die Extensivierungs- Öko- und Landschaftspflege-programme der letzten Jahrzehnte unterscheiden nach extensiver oder intensiver Bewirtschaftung und blenden aber den Standort in der Regel aus.
Mit den zunehmenden Trockenperioden, wie auch in diesem Frühling wieder, offen-baren sich Standortunterschiede aber immer deutlicher. Mehr Standortbewusstsein könnte die kontroverse Diskussion zwischen Landwirtschaft und Naturschutz ebenso erleichtern wie in der ökologischen Landwirtschaft der Umgang mit ihren Regeln.
Dazu haben uns alte Grünlandforscher ökologische Kennzahlen hinterlassen für Futterwert, Nährstoffverfügbarkeit, Kalk- und Wasseransprüche sowie Weide- und Mahdverträglichkeit aller Grünlandpflanzen. Mit diesen Kennzahlen lässt sich der Zeigerwert der vorkommenden Arten zuverlässig deuten.
Es ist dazu nicht erforderlich alle Pflanzen und ihre Kennzahlen zu kennen, sondern man kann sich auf die auffallenden und vorherrschenden Arten im jeweiligen Bestand konzentrieren. Weil die Nähstoffverfügbarkeit in Trockenzeiten wie in Kälteperioden mangels Wasser oder Wärme abnimmt und häufigere Nutzungen selektive Wirkung auf Pflanzenbestände haben, reichen die N-Zahl für Nährstoffverfügbarkeit und die M-Zahl für Mahdverträglichkeit zu kennen, um das Spiegelbild des Grünlandbestandes zu verstehen. Dafür einige einfache Beispiele:
Nährstoffzeiger sind der Stumpfblättriger Ampfer (N-Zahl 9), Wiesenkerbel, Bärenklau, aber auch Giersch und Brennnessel (alle N-Zahl 8). Ebenso das Dt. Weidelgras und der Weißklee.
Mangelhafte Nährstoffverfügbarkeit (N-Zahl 4 u. geringer) zeigen Margerite, Flockenblume, Witwenblume ebenso wie Ruchgras, Weiche Trespe und Honiggras.
Zu häufige Nutzung zeigen flächenhaftes Auftreten von Gänseblümchen, einjähriger (immerblühender) Rispe (M-Zahl 9), aber auch hohe Weißkleeanteile.
Häufige Nutzung ertragen neben Dt. Weidegras (M-Zahl 8) und Wiesenrispe (M-Zahl 9) nur der Wiesenfuchsschwanz (M-Zahl 7), aber auch Wiesenkerbel und Bärenklau (M-Zahl 7) sowie der St. Ampfer und die gemeine Rispe (M-Zahl 8).
Nur zwei bis dreimalige Nutzung ertragen die meisten Gräser, der Rotklee (M-Zahl 7) und die meisten bunten Kräuter.
Zu späte Nutzung bzw. zu geringen Weidedruck zeigen Flockenblumen, Klappertopf Johanniskraut, Borstgras sowie Brombeeren und Besenginster.
Fazit: Was auf unserem Grünland wächst, zeigt uns die Standorteigenschaften und ob unsere Bewirtschaftung dazu passt. Für das in Lehrbüchern und Fachmedien glorifizierte Weidegras-Weißkleegrünland fehlt auf den flachgründigen Böden im Schwarzwald in der Regel die ständige Nähstoffverfügbarkeit, so dass großblättrige Kräuter mit hohem Nährstoffaneignungsvermögen wie Wiesenkerbel, Bärenklau und St. Ampfer die übrigen Gräser verdrängen. Andererseits werden die Ansprüche der meisten Gräser durch Stress durch zu häufige Nutzung oder Trockenheit nicht mehr erfüllt, die Narben werden lückig, die Erträge befriedigen nicht und Lückenbüßer können sich breit machen.
Mehr Wert auf das zu legen, was wächst, ist also im Schwarzwald wichtiger denn je, um Enttäuschungen mit Wetterkapriolen und Kosten mit Reparaturen wie Nachsaaten zu vermindern. An dem was wächst die Bodenhaftung finden, ist die große Heraus-forderung für Schwarzwaldbauern. Dazu planen wir ein weiteres Weidegespräch zur stressarmen Weide- bzw. Schnittreife der unterschiedlichen Weiden und Wiesen.