Mit diesem Spannungsfeld haben wir uns beim Schwarzwaldbauerntreff am 25. Januar 2020 in Tennenbronn auseinandergesetzt. Denn dieses Spannungsfeld offenbaren die Demonstrationen für Agrarwende, Klimaschutz gegen Artensterben und der Landwirte mit Traktoren. In diesem Chaos von Ansichten und Problemen drohen die eigentlichen Fragen der Bauern unterzugehen. Dier hat vor 25 Jahren schon der Hohenheimer Kulturphilosoph Günther Rohrmoser in der Erosion der Gemeinsam-keiten erkannt. Inzwischen sind die Gemeinsamkeiten auf Forderungen an die Politik geschrumpft. Doch darin liegt das Problem, weil Politik in einer Demokratie auf Mehrheit beruht und Landwirte von Fortschritt, Wohlstand und Urbanisierung zur Minderheit geschrumpft wurden. Um den Wandel dieser Beziehungen besser zu verstehen, blickten wir am Vormittag im Heimathaus auf den Einzug des Fortschritts in der Region zurück, um am Nachmittag aus den Erfahrungen Schweizer Bergbauern Armin Capaul mit der Demokratie ihre Funktion zu erkennen.
Im Heimathaus Tennenbronn begrüßte uns der bäuerliche Höfeforscher Edwin Klausmann und zeigte mit einem Film und Bildern den Fortschritt genannten Wandel der Höfe, des Dorfes und der Landschaft. Aus seinen Forschungen kann er die Hintergründe erklären, wie der Schwarzwald von der Besiedlung durch Klöster über den Handel und Wandel der Landesherren mit der Reformation zu einem Flickenteppich aus Religion, Währungen und Maßen geworden war. Tennenbronn ist dafür symptom-atisches Beispiel, wie es bis 1922 in evangelisch und katholisch Tennenbronn zersplittert gewesen ist. Erst der Fortschritt mit elektrischem Licht und Straßen hat die zwei Orte zu einer Gemeinde zusammen gebracht. Mit diesem Fortschritt begann auch der Wandel von der Versorgungswirtschaft auf den Höfen zum Wachsen des Dorfes und ersten Fabriken über Fremdversorgung. Die Zuverdienstmöglichkeiten in den Fabriken vor Ort haben die typische Schwarzwälder Höfestruktur in Tennenbronn relativ stabil gehalten. Denn im Bergland hat der Fortschritt zum groß und größer Grenzen, den der erfahrene Edwin Klausmann für den Schwarzwald tödlich nennt. Um das (Erfahrungs-) Wissen aus der Entwicklung zu erhalten, versucht er es mit dem Museums- und Geschichtsverein im Heimathaus zu dokumentieren und seine Gerätschaften als Symbole auszustellen. Die Besonderheit im Tennenbronner Heimathaus ist eine digitale Hofkarte, die eine Gesamtschau auf das einzigartige Kulturerbe der Schwarzwälder Einzelhöfe bietet. Mehr unter: http://www.heimathaus-tennenbronn.de/
Am Nachmittag stellte der aus der Schweiz angereiste Armin Capaul seine Einsichten über die Demokratie vor. Der 68er Aussteiger aus Zürich war auf die Alp gegangen um schließlich im Berner Jura Bergbauer zu werden. Mit Filclips, einer sogar von ARD, stellte er seine Horn-kuhinitiative vor, die ihm international mediale Beachtung gebracht hat. Hat doch im der direkten Demokratie, das auch Vorreiter in artgerechter Tier-haltung war, Mehrheiten für die Würde der Kuh gesucht. Sein Argument, die Kühe hätten ihm gesagt, dass er dafür kämpfen soll. So hat er erkannt, dass der Fortschritt verdrängt, das für tierfreundliche Laufstalle die Kühe enthornt werden, aber für Schweizer Milch und Schokolade mit Kühen mit Hörnern geworben wird. Doch nicht wie die meisten Aktivisten fordete Armin Capaul das Enthornen zu verbieten, sondern einen Hörnerfanken (pro Tag) für die Bauern, die ihrem Kühen die Hörner belassen. Zuerst hat er diese Forderung in einem Schreiben an das zuständige Bundesamt gestellt. Damit begann seine mehrjährige Auseinandersetzung mit dem Regierungsapparat, der Capauls Forderung kritisch hin- und herschob, weil sie ja einen Mangel der fortschrittlichen Politik aufdeckt. Irgendwann, wohl um den Störenfried loszuwerden, empfahl ihm der zuständige Bundesrat, er könne ja eine Volksinitiative starten. Doch nicht einmal seine politisch kundige Frau, sie war Präsidentin der Schweizer Bergheimat, glaubte daran, dass für Kuhhörner die notwendigen Unterschriften für eine Volksinitiative zusammenzubringen seien. Doch Armin Capaul erinnerte sich an alte Freunde und zahlte Unterschriftensammlern sogar Prämien bis schließlich mehr Unterschriften zusammen kamen als für eine Volksabstimmung notwendig sind. Weniger in ländlichen Kreisen, 90 % der Kühe habe ja keine Hörner mehr, dafür aus den Städten umso mehr. Bei der Volksabstimmung im Herbst 2018 schließlich fehlten keine fünf Prozent, dass der Hörnerfranken in die Verfassung gekommen wäre. Das Hauptargument der Gegner war, dass Kuhhörner nicht in die Verfassung gehören. Nach diesem Achtungserfolg, haben einige Unterstützer ein Kuhhornlabel geschaffen, aber Armin Capaul agiert politisch weiter. Erst versuchte parteilos in den Nationalrat gewählt zu werden und hoffte als Bergbauer auf die Bauern. Doch der Bauernverband nahm ihn nicht auf die Empfehlungsliste. Er erkannte, die haben Angst vor mir, ich könnte die Agrarpolitik entblößen. Wohl deshalb gibt er nicht auf, sondern fordert mit Briefen an das Bundesamt konkret, dass das Kuhhorn zur Würde der Kuh und damit zum Tierschutz in der Verfassung gehöre und in der nächsten Direktzahlungs-verordnung honoriert werden müsse. Mehr über seine Initiative im Buch:
Was lernen wir daraus? Die Landwirtschaft ist durch den Fortschritt eine Minderheit geworden. Die demokratische Mehrheit ist von Land und Landwirtschaft entkoppelt, weil der Fortschritt die traditionelle lokale Versorgungswirtschaft durch die arbeitsteige Fremdversorgung abgelöst hat. Die Werbung versucht mit idyllischen Bauernhofbildern die Industrialisierung der Ernährung zwar zu verdecken, doch die Mehrheit kann sich das Leben am Bauernhof nicht vorstellen. Armin Capaul hat das Schweizer Nationaltier als Symbol benutzt, um mit seiner Urform (mit Hörnern) eine Brücke zwischen Fortschritt und Demokratie zu bauen. Wohl wissend, dass hinter dem Kuhhorn die Bedrohung der grasfressenden Kuh und der Bergbauern steht. Hat er mit dem Symbol nicht mehr erreicht, als mit direkten Forderungen?