Nachrichten reden uns fast jeden Tag ein, dass die Wirtschaft wachsen muss, damit wir Geld verdienen um kaufen zu können, was uns die Werbung anpreist. Das Wirtschaftswachstum basiert also auf Knappheit und die Politik hält trotz immer neuer Krisen für alternativlos. Alternativen, wie es anders geht, treffen sich jeden Sommer beim Agrikulturfestival in Freiburg. In diesem Jahr stand eine grundlegende Gesprächsrunde im Zentrum: „Subsistenz – eine andere Art zu leben“. Wir waren dabei zusammen mit der 80jährigen Subsistenzprofessorin Veronika Bennholt-Thomsen aus Bielefeld, unserem Freund Kaspanze Simma aus dem Bregenzerwald, mit Manuela Widmer von Longo Mai aus Südfrankreich und Georg Beck aus dem Hotzenwald.
Menschen sind wieder Jäger und Sammler
Zur Einführung erinnerte Siegfried Jäckle, dass bis in die 1950er Jahre Ackerbau und Viehzucht auf die eigene und regionale Versorgung ausgerichtet war. Mit der Devise des Wirtschaftswunders, mit weniger Arbeit mehr verdienen, verlor diese direkte Versorgung durch die Landwirtschaft ihren Wert. Die Landwirtschaft musste Arbeitskräfte durch Rationalisierung und Spezialisierung ersetzen, womit der Strukturwandel zum Nebenerwerbsbauer und schließlich Landschaftspfleger seinen Lauf nahm. Die Konsumenten wurden mit idyllischen Bauernhofbildern in die Supermärket gelockt zum Jagen und Sammeln. Der globale Wettbewerb der Supermärkte, für die alles die Welt transportiert wird, überfordert inzwischen nicht nur unser Klima, sondern stresst auch die modernen Jäger und Sammler, weil trotz immer mehr Siegel die Versorgung nicht mehr überschaubar ist.
Was wir brauchen ist nichts weniger als einen Kulturwandel
Das war die klare Antwort von Veronika Bennholt-Thomsen. Nicht nur sie habe das Gefühl, dass die Epoche des Produktivismus zu Ende geht, aus der Erde herausholen, bis nur noch ein Loch im Boden bleibt. Die Alternative hat sie bei ihrer Doktorarbeit in Mexiko erkannt. Die Subsistenz als eigene Versorgung mit dem Lebensnotwendigen anstelle Lohnarbeit und Fremdversorgung. Bekannt geworden für ihre Subsistenz-Philosophie ist sie mit dem 1997 erschienenen Buch „Eine Kuh für Hillary – Die Subsistenzperspektive“. Mit Maria Mies stellt sie darin Subsistenz der neoliberalen Gobalisierung entgegen. Man muss dieses Buch gelesen haben, um zu verstehen, warum sich die Frauenbewegung für das ursprünglich bäuerliche Wirtschaften engagiert. Veronika B.Th. betont aber, dass wir das Rad nicht zurückdrehen können, aber aus der Geschichte der Subsistenz lernen und uns eine neue moralische Ökonomie vorstellen können. Um das vom Geldkalkül zerstörte Verhältnis von Bauer und Konsument wiederherzustellen zu einem Leben in Gemeinschaft statt in Konkurrenz. Mit der Subsistenzbrille könne der in die Köpfe und Herzen gedrungene Wachstumsglaube überwunden werden. Denn Subsistenz ist Sorgearbeit für die Nächsten wie für das Bodenleben. Der grundlegende Vortrag von Veronika Bennholt-Thomsen kann bei der Kontaktadresse angefordert werden.
Mit dem Eigenen in Fülle leben
Das ist das Leitbild der Bauernfamilie Simma in Andelsbuch im Bregenzerwald. Kaspanze Simma war der Aufforderung seiner Mutter gefolgt, dass man von dem Hof gut leben könne, aber unsicher vor dem Trend von Wirtschaft und Politik. Einen Lichtblick fand er im Buch von Hazel Henderson, wo das Leben umfassender als nur auf Geld dargestellt wurde. Darin ist die Geldwirtschaft nur die oberste Schicht, die Eigenarbeit zur Versorgung wie auch Erbe und Naturgüter sind darunter liegenden Schichten, die in der rechnerischen Wertschöpfung nicht berücksichtigt werden. Mit dieser Sichtweise erklärt Kaspanaze auch den Wertverlust der Landwirtschaft überhaupt. Auch die Klage über Arbeitskräftemangel und zugleich über Zeitmangel erklärt er damit, dass das Effizienzdenken bei der Arbeit Naturerlebnis und Sozialkontakte verdrängt hätten und mit Geld in der Freizeit wieder gesucht werden. Bei der Subsistenzarbeit erlebe ich die Natur und habe soziale Kontakte betonte er.
Gemeinschaft ohne Lohn
Martina Widmer vom Longo Mai-Hof in Südfrankreich erklärte, dass Longo Mai Land sich auf Land niedergelassen habe, das vom Kapitalismus verlassen worden ist. Longo Mai ist aus der 1968er Bewegung entstanden und heißt übersetzt, es möge lange dauern. Die Bewegung hat dazu in der Schweiz Geld gesammelt um Land erwerben zu können. Das wird an die Hofgemeinschaften verpachtet, wo ohne Lohn gelebt und gearbeitet wird. Im Zentrum dieser Selbstversorgungs-wirtschaften stehen Schafe und die Verarbeitung. Weil vielen Leuten der Bezug dazu fehlt, vor allem zum Saatgut fehlt, wurden darüber Lehrfilme geschaffen auf: www.diyseed.org.
Einfach mal anfangen
hat sich Georg Beck mit seiner Frau im Hotzenwald gesagt. Obwohl es in der Höhenlage wegen der kurzen Vegetationszeit dazu nicht günstig ist, haben sie auf ihrem Grundstück angefangen Gemüse anzubauen. Im Jahr 2023 haben sie 300 kg Gemüse geerntet, was er mit 1200 € schätzt. Damit hat der Bauernsohn seine bäuerlichen Wurzeln wieder aktiviert und erlebt Selbstwirksamkeit von der Saat bis zum Teller.
Mit Subsistenz unabhängiger werden
So verschieden die Ansätze der Gesprächsteilnehmer sind, so klar ist ihre gemeinsame Philosophie. Nämlich sich mit eigener Arbeit vom Boden mehr oder weniger selbst versorgen und damit unabhängiger von fremdbestimmter Lohnarbeit und Versorgung sein. Wenn auch Subsistenz in der Ökonomischen Lehrmeinung noch als unterentwickelt gilt, ist Subsistenz aus realer Sicht der Weg vom stressigen Jäger- und Sammlerdasein in den Supermärkten sich wieder zu erden statt mit der industriellen Landwirtschaft zu hadern. Die Herausforderung ist, das bäuerliche Kulturerbe zu verstehen und die Arbeitsteilung regional neu zu denken. wieder regional gestaltet. Als neue agrikulturelle Bewegung, die wieder alle angeht.