Schwarzwaldhöfe zieren Kalenderbilder, Tourismus- und andere Prospekte. Hinter diesen romantischen Bildern steht ein Kultur- und Naturerbe, wie es Reichelt in der obigen Zeichnung eines Schwarzwaldtales in den 1950er Jahren festgehalten hat. Dieses Schwarzwälder Kulturerbe hat folgende einzigartige Besonderheiten:
- die Einzelhofstruktur mit arrondierten Waldhufen quer durchs Tal
- die hangangepasste Architektur am Quellhorizont, als Eindachhöfe mit separaten Speichern, Backhäusern und Mühlen zur Sicherung der Versorgung
- die traditionelle Landnutzung als Reutfeldwirtschaft in Steillagen oder Feldgras- oder Wechselwirtschaft für die eigene und lokale Versorgung
- Bodenständige Tierrassen (Hinter- und Vorderwälder, Schwarzwälder Füchse)
Diese Besonderheiten des Kulturerbes werden von der globalisierten Wirtschaft immer mehr zur Idylle gemacht, die keinen Wert bildet die regionale Identität raubt. Es geht nicht darum, die Tradition zu verherrlichen, sondern die Entwicklung des Kultur- und Naturerbes zu verstehen. Denn die Kultur wandelt sich mit der Zeit, ihre Identität stiftenden Werte überdauern.
Die ursprünglichen Werte der Schwarzwaldbauern war das Land, das ihnen die mittelalterlichen Siedlungsklöster als Lehen in Form der akkuraten Landstreifen quer durchs Tal überlassen haben. Um auf diesem Land überleben zu können, haben unzählige Generationen dieses Land gerodet und kultiviert, weshalb wir unsere Landschaft heute Kulturlandschaft nennen. Mit dieser Kultivierung wuchs auch die Vielfalt der Natur. Mit dem Wirtschaftswunder nach dem zweiten Weltkrieg verlor diese vielfältige Kultur ihren Wert. Als Erster wies vor 50 Jahren der Agrarkommissar der EWG, Sicco Mansholt, bei seinem Besuch im Schwarzwald darauf hin: „Im Jahr 2000 werde es hier keine Landwirtschaft mehr geben, weil sie im Gemeinsamen Markt mit Gunstlagen nicht konkurrieren kann“. Sein Szenario ist zwar nicht direkt eingetreten, doch seit dem Zerfall des Sozialismus im Osten und dem globalen Freihandel beschleunigt sich jedoch die Entwicklung in Richtung Mansholts Szenario.
Diese höflich Strukturwandel genannte Entwicklung hat den Wert der Landwirtschat von der Versorgungskultur auf Marktproduktion gewandelt. Die Landschaft wird monotoner. Steiles, steiniges und feuchtes Land fällt aus der Nutzung und wird zu Landschaftspflege-Flächen. Dennoch halten viele Familien an ihren Höfen fest. Manche wegen der politischen Förderung, die schon 1975 mit dem Bergbauernprogramm begonnen hat und in der Landwirtschaft heute über Gewinn oder Verlust entscheiden. Andere wegen der Faszination an der modernen Landtechnik. Dritte wegen der Kombination mit Tourismus.
Wir meinen, dass das Leben auf einem Schwarzwaldhof ein Wert an sich ist, als:
- Heimat über Generationen
- Eigentum, das bindet und Identität stiftet
- lebendiger Hoforganismus von Familie, Boden, Pflanzen und Tieren
- Lebensort, wo andere gerne Urlaub machen
Deshalb greift aus unserer Sicht die übliche agrarpolitische Debatte zu kurz. Denn die anders Seite der Medaille Schwarzwaldhof besitzt Werte, die gefragter denn je sind:
- Lebensform, wo Familie und Beruf beisammen sein können
- Bodenhaftung im Rhythmus der Jahreszeiten
- Ort zum eigenständigen Gestalten und Selbstverwirklichung
- Versicherung für Krisenzeiten, sich selbst versorgen zu können
So gesehen, sind Schwarzwaldhöfe Reallabore für zukunftsfähiges Wirtschaften, wozu die Krisen von Klima, Finanzen und wachsender Ungleichheit eigentlich herausfordern. Der Weltagrarbericht hat die neuen Werte schon vor 10 Jahren definiert:
- Ernährungssouveränität statt Produktion für den Weltmarkt
- Agrarökologisches Wirtschaften statt nur Ökostandards erfüllen
- Multifunktion anstelle Monokulturen
- Klein als herrliche Lebensform statt Überforderung durch Größe