Langsamer – schöner – bunter
Eigentlich werden die Schwarzwald-bauern nicht mehr gebraucht, weil heute Nahrungsmittel in den Super-märkten auf der grünen Wiese billiger zu kaufen sind, wie sie im Schwarzwald erzeugt werden können. Die politischen Thesen von der Offenhaltung und Pflege der Landschaft sind nur die andere Seite der Medaille des globalen Wettbe-werbs. Denn nach der herrschenden neoliberalen Religion geht es darum, wer’s am Billigsten kann. In diesem Wettlauf des größer – schneller – weiter werden Bauern-familien genauso überfordert, Tiere, Boden und Umwelt. Diese Grenze wird In den Bergen früher erreicht als in der Ebene. So sind Schwarzwaldbauern- und bäuer-innen als Almosenempfänger in eine Sinnkrise geraten.
Doch die Trends der neuen Landlust kündigen an, dass die Supermärkte auf der grünen Wiese mit noch so idyllisch verpackten Nahrungsmitteln aus der ganzen Welt den neuen Hunger unserer Gesellschaft nach Erlebnis, Gesundheit, Natur und Nähe nicht stillen können. So könnte die bäuerliche Vielfalt zum Gegenentwurf der techno-logischen Nüchternheit und zur Irrealität digitaler Bilderwelten werden. Die Neuen Bauern werden sich von den heutigen Landwirten unterscheiden, die als Rohstoff-lieferanten der Nahrungsindustrie eben zunehmend keine Bauern mehr sind. Die nahrhafte Landschaft als Tankstelle für Körper, Geist und Seele ist die Quelle für den neuen Lebensstil: gut Leben statt viel Haben.
Die Neuen Bauern wissen, dass die Sonne als Quelle für natürliches Wachstum keine Rechnung schickt. Und dass grasende Tiere Weiden und Wiesen nicht nur pflegen, sondern wirkliche Veredelungswirtschaft sind, weil sie das für Menschen als Nahrung nicht nutzbare Grasland in den Bergen wie an den Küsten zu besonders wertvollen Lebensmitteln veredeln. Damit aktivieren die Neuen Bauern im Klimawandel die Rolle fruchtbarer Böden im CO2-Kreislauf.
Am Land sehen die Neuen Bauern den Freiraum zur Selbstverwirklichung neuer Lebensmodelle, weil man am Bauernhof nicht nur Beruf und Familie ideal verbinden kann, sondern mit Dienstleistungs- oder gewerblichen Tätigkeiten. Damit könnten aus dem Einzelkämpfertum neue Stadt- und Land-Gemeinschaften entstehen, wie urban gardening, Slow Food solidarische Landwirtschaft andeuten.
So könnte das Kultobjekt Landschaft zum Design der Lebens werden, wenn Mono-kulturen und Monostrukturen wegen ihrer Abhängigkeit von fossiler Energie ihre Wettbewerbsvorteile wie auch die Akzeptanz für Subventionen verlieren. Die Spaltung der Bauern in Produzenten und Landschaftspfleger wird ebenso überwunden, wie die Teilung der Landschaft in Schutz- und Nutzzonen. Denn mit der neuen bäuerlichen Vielfalt wird die Landschaft bunter werden. Schwarzwaldbauern finden als Dienstleister für Lebensgrundlagen wieder Sinn und Würde.
Die knappsten Faktoren für diese Entwicklung sind Wissen und Kreativität, weil es dafür noch keine Lehrbücher und Rezepte gibt. Umso wichtiger wird das bäuerliche Erfahrungswissen im Umgang mit natürlichen Prozessen für die Revitalisierung der ländlichen Welt . Deshalb gilt es, die hinter Kontrollen und Zertifizierungen versteckten Rezepte der öl- und subventionsabhängigen Massenproduktion hinter sich zu lassen und durch eine überschaubare Kultur der Nähe und des Vertrauens zu ersetzen.
Die neue Landlust mit dem Motto langsamer – schöner – bunter hat längst begonnen. Die von alten Interessen dominierten Bürokraten und Technokraten werden diesen Hunger nicht stillen können. Regeln und Freiheit für schöpferische Gestaltung müssen deshalb ins Gleichgewicht gebracht werden, als Rahmen für eine ökologisch und sozial verträgliche Revitalisierung regionaler Kreisläufe. Mit den neuen Möglichkeiten der Informationstechnologie sollte es möglich sein, dass Schwarzwaldbauern vom Rand ins Zentrum dieser Entwicklung rücken, Mit Mut, Witz und Widerstand wird der Schwarzwald nicht seiner Vielfalt zu berauben sein. Im Gegenteil: er könnte noch schöner und bunter werden.
Siegfried Jäckle 10.03.2016
Impulse und Hintergründe für unsere Vision sind in folgender Literatur zu finden:
Alt Franz: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne; München 2002
Dürr Hans-Peter: Das Lebendige lebendiger werden lassen; München 2011
Haiger Alfred: Naturgemäße Tierzucht; Leopoldsdorf 2005
Hessel Stéphane Hessel: Engagiert euch; Berlin 2001
Hoppichler Josef & Krammer Josef: Was wird aus Österreichs Bauern? in Österreich 21/2 Wien 1996
Hubenthal Christine: Einfach mal anfangen –Resilienz am Beispiel einer zukunftsfähigen Landwirtschaft; München 2012
Jackson Tim: Wohlstand ohne Wachstum; München 2011
Ökosoziale Zeitansagen: Humus der Gesellschaft; Ökosoziales Forum Niederalteich 2012
Peach Niko: Befreiung vom Überfluss – auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2012
Radermacher Franz Josef & Bayers Bert: Welt mit Zukunft; Hamburg 2011
Schumacher Ernst Friedrich: Small is Beautifull – die Rückkehr zum menschlichen Maß; Reinbek 1977
The Prinz of Wales: Harmonie – eine neue Sicht unserer Welt; München 2010
Willi Josef: Bäuerlich wirtschaften – in Fülle leben; Innsbruck 2000