Bei der Fahrt zum Agrikulturfestival nach Freiburg am Sonntag 22. Juli 2018 befiel mich eine sonderbare Ahnung. Vorbereitet auf einen Vortrag über regional gestern – heute und morgen und was wir aus der Geschichte lernen können, fiel mir auf, wie der Schwarzwald sein Gesicht verliert, mit dem Tourismusprosekte und Kalenderbilder noch werben. Nicht nur weil Wohn- Industrie- und Stallbauten in die Landschaft wuchern, sondern auch wegen immer mehr braunen Hängen, die nicht mehr oder zu spät genutzt werden. Hinter diesem optischen Eindruck verbirgt sich der Verlust einer regionalen Kultur. Die im globalen Industriezeitalter schleichend ihren Wert verloren hat. Doch die satte Industriegesellschaft sehnt sich nach ihr und ist gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft mit Monokulturen und Massentierhaltung und träumt von der wilden Natur. Doch sie versteht nicht, dass ihr Lebensstil die Landschaft entwertet und mit den Abgasen ihrer globalen Mobilität das Klima aufheizt. Während die Natur unter der Hitze verdorrt oder Starkregen und Hagel Ernten zerstören, freut sich die Freizeitgesellschaft, dass es auch bei uns heiß ist.
Dabei hatte die Geschichte der Idylle mit der Agrikultur angefangen. Zunächst auf den einst fruchtbaren Böden im Vorderen Orient. Auch die Römer mieden die schwarzen Wälder der Berge noch. Erst im Mittelalter begannen Klöster auch die kargen Böden der Berge zu kultivieren. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden standortangepasste Agri- und Esskulturen, weil das Überleben in den Bergen davon abhing, sich vom lokalen Boden zu versorgen. Mit den Innovationen Eisenbahn und Automobil des Industriesystems begann ein schleichender Wandel von der regionalen Versorgungswirtschaft zur Fremdversorgung. Die Städte lösten sich von ihrer Umgebung. Die Landwirtschat musste sich darauf spezialisieren, was am Markt wettbewerbsfähig war und gab auch ihre Selbstversorgung auf. Wachsende Supermärkte auf der grünen Wiese rückten zwischen Erzeugung und Konsumenten. Als Oligarchen verfügen sie über eine riesige Werbemacht und bestimmen die Standards der Erzeugung. So verloren die Menschen den Bezug zum Boden. Doch im Unterbewusstsein verharrt dieser Bezug weiter im Wunsch nach Schutz von Landschaft, Natur, Umwelt und Tieren. Auch die Politik hat sich in diesen Widersprüchen verwickelt, so dass trotz Agrarreformen mit Regelungen und Landschaftspflegeprogrammen die Landschaft ihr gewohntes Gesicht verliert.
Dass dieses System an Grenzen stößt ist seit 50 Jahren absehbar. Weshalb die Weltgemeinschaft auch 1992 eine nachhaltige Entwicklung vereinbart hat. Obwohl sich die Krisen häufen, die Mythen mehr Geld, Wachstum, Wettbewerb und Beschleunigung herrschen weiter. Versteckt hinter Siegeln von Öko, Fair usw. Dennoch erscheint in kritischen Büchern immer mehr Stoff für die Utopie einer Postwachstumsökonomie des Guten Leben. In der die Fremdversorgung auf Luxusgüter schrumpft und regionale Versorgungsstrukturen gestaltet werden. Doch politisch steckt Regionalentwicklung in der Freizeitanimation und damit noch in der Trennung von Stadt und Land. Notwendig wären aber neue Brücken zwischen Boden und Konsumenten. Zum Boden deshalb, weil er nicht nur Nahrung sichert, sondern in seinem Humus das CO2 reguliert, das unser Klima aufheizt. Dabei ist Grasland neben Wäldern und Mooren der größte C02-Speicher, weshalb seine Nutzungsaufgabe in den Bergen nicht nur ein optisches Problem ist. Denn nur wo etwas wächst, wird CO2 gebunden.
Nachhaltig heißt also regionale Kreisläufe gestalten. Aus der Geschichte sollten wir lernen, dass es für den Wandel nie Pläne gab! Von oben verordneter Wandel war selten erfolgreich, sondern führte oft in neue Krisen und sogar Kriege. Wandel entstand in der Regel auch nicht aus Not, sondern aus der Lust am Gestalten. Weil Wandel immer eine soziale Bewegung ist, braucht sie Pioniere. Dafür sollten wir ein Klima schaffen:
- Diskussionspartner/innen – nicht bloß Zustimmer/innen
- Risikofreudige Mitstreiter/innen – nicht bloß Sicherheitstypen
- Bestärker/innen in kritischen Phasen – nicht bloß Bemitleider/innen
- Resolute Minderheiten – nicht bloß die träge Masse
Hoffentlich gibt es noch viele Agrikulturfestivals, die Pioniere der Region für Nachhaltigkeit stärkt.