Die Diskussion um Landwirtschaft erden

 

Bei der Mitgliederversammlung am 29. August 2023 im Löwen in Rohrbach haben wir auf das vergangene Jahr zurückgeblickt und aktuelle Sorgen diskutiert. Der Vorsitzende Reimund Kuner erinnerte, dass die Coronabeschränkungen die Arbeit im Sinne eines Forums bis im letzten Frühjahr auf Rundmails beschränkt hatten. Beim ersten Treffen ging es darum, was die vom Bundeskanzler verkündete Zeitenwende für die Schwarzwaldbauern bedeutet. Die Einsicht war, dass diese Zeitenwende am Wettbewerb um den billigsten Produzenten nichts ändere, in dem immer weniger Schwarzwaldbauern mithalten können. Bei zwei Weidegesprächen in Urach und Schenkenzell beschäftigte man sich mit dem Graswuchs an den unterschiedlichen Standorten und den Herausforderungen der Dürreperioden für den Weidebetrieb. Bei einer Infotour in die Schweiz wurden zwei Höfe besucht, deren Bauern dem Mainstream des mehr gleich billiger nicht mehr folgen, sondern sich an natürlichen Abläufen und an der Landschaft erfolgreich orientieren, was die Arbeit des Forums bestätigte.

Von der Begegnung mit zwei geistigen Vordenkern berichtete die stellvertretende Vorsitzende Erika Obergfell. Beim Erntedankgespräch erklärte der 80jährige Tierzuchtprofessor Alfred Haiger, dass die Maximierung der Leistung die Kuh zur Sau mache und damit zum Nahrungskonkurrenten. Dabei hat die Kuh unsere Ernährungsbasis erweitert mit ihrer Fähigkeit Gras zu Milch und Fleisch zu veredeln. Wenn aber die Kuh vom Gras geht, gehe auch die Kultur, ermahnte Haiger und fordert deshalb den Wandel von der erdölabhängigen Petrokultur zu einer Agrikultur, die auf Fotosynthese, Boden-fruchtbarkeit und naturgemäße Tierzucht- und haltung baue. In die gleiche Kerbe schlug am Internationalen Tag der Berge im Dezember auf dem Fohrenbühl Dr. Florian Leiber vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Er stellte die Frage ins Zentrum, ob wir es uns leisten können, das Grasland unzureichend zu nutzen, das zwei Drittel der landwirtschaftlichen Fläche der Welt ausmache. Mit Studien belegte er, dass Milch und Fleisch vom Grünland nachhaltig sei im Gegensatz zur Fütterung vom Acker. Weil diese Erkenntnis für die Schwarzwaldbauern existentiell ist, forderte Leiber auf, eine starke Geschichte vom Wert des Graslandes zu erzählen. Solche Geschichten wurden beim Agrikulturfestival im Juli in Freiburg erzählt, aber Beirätin Marion Röder vermisse dort  die Bauern.

Nach den Regularien leitete Reimund Kuner zu den aktuellen Themen des Forums über. Im Schatten von Corona ist in der EU eine weitere Agrarreform beschlossen worden, mit der sich die Administration des Landes nach eineinhalb Jahren in diesem Frühjahr noch schwertat, bei der Antragstellung, von der die Bauern abhängig sind. Aber die Einhaltung der Fristen stand im Vordergrund. Das Forum reagierte auf diese verwirrende Situation mit einem Brief an den Minister in Stuttgart. Er antworte nach acht Wochen mit Rechtfertigung der alten Widersprüche, dass man ja die kleinen Betriebe besser fördere und die Wettbewerbsfähigkeit sowie Klimaschutz mit Labels für Tierwohl unterstütze. Verwunderlich, dass die positive Wirkung aufs Klima des immergrünen Graslandes bei der Umsetzung der Agrarreform nicht berücksichtigt worden ist. Deshalb hat das Forum im Sommer mit dem Deutschen Grünlandverband Vorschläge für konkrete Ökoregeln für das Grünland erarbeitet, deren Botschaft mediale Verbreitung fand, dass Grünland als größter CO2-Speicher bei der Umsetzung der Agrarreform in D benachteiligt ist.

Beim abschließenden Rundgespräch ging es um die Frage, was Schwarzwaldbauern- und bäuerinen am meisten bewegt und ärgert sowie was ihnen wichtig ist. Unisono sind sie neben den Folgen von Dürren und Unwettern von der politischen Tierwohldebatte verunsichert, weil  Tierhaltung die Basis der Schwarzwaldbauern ist. Die auf Ställe reduzierte Tierwohldebatte wurde Vergötterung der Technik genannt, weil die Betreuung der Tiere durch Bäuerinnen und Bauern nicht anerkannt wird.  Dazu verwies Siegfried Jäckle auf eine Studie aus großen Betrieben in den USA die belegt, dass Kühe nicht in Laufställen länger durchhalten, sondern bei Weidegang und guter Betreuung. Er ergänzte, dass Konfliktforscher die hierzulande geführte Stallbaudebatte strukturelle Gewalt nennen, weil sie den Strukturwandel antreibe und über den Energieaufwand für den wachsenden Futter- und Gülletourismus das Klima schädige. Deshalb gelte, was der Expertenrat für Klimafragen kürzlich an den technischen Detailmaßnahmen der Bundesregierung auch für die Ernährungspolitik. Vor 12 habe beim Aschermittwochsgespräch des Forums Prof. Radermacher schon erklärt die Zukunft sei systemisch. System sind den Bauern bekannt am Beispiel des Elektrozauns, ergänzte Siegfried Jäckle, wo das stärkste Gerätallein die Hütewirkung nicht sichere, sondern die Erdung oft das schwächste Glied sei. Diese Erdung fehle der ganzen Diskussion um Landwirtschaft und Ernährung. Abschließend verwies Reimund Kuner auf das Erntedankgespräch am 27. September Mit dem Thema: „Die Ernte neu denken – regenerativ statt degenerativ“. Dazu wird der Freund, Botaniker und Gärtner Michael Beleites aus Sachsen neue Denkanstöße geben.

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