Die Diskussion um die Rolle des Grünlandes dreht sich immer mehr um Flora und Fauna. Offenbar wird damit versucht der politischen Debatte um Offenhaltung der Landschaft neuen Sinn zu geben. Beim Weidegespräch am 13. Juni 2018 im Schwarzenbachtal in Schönwald haben wir zu erklären versucht, worum es wirklich geht. Denn in diesem Hochtal zeigt sich der Merksatz „Grünland ist das Spiegelbild von Standort und Bewirtschaftung“ deutlicher als anderswo. Da einerseits mit zunehmender Höhen-lage die Wuchskraft des Standortes abnimmt, weil die Vegetation später beginnt. Und anderseits weil die Bewirtschaftung auch die Geschichte der Höfe und ihrer Familien wiederspiegelt. Dabei sei an die früheren Begriffe vom zahmen und wilden Feld erinnert. Zahmes Feld nannten die Vorfahren ihre kultivierten (meliorierten) Wiesen und Weiden, während die versteinten Weidberge und Moorgebiete wildes Feld genannt wurden. Diese wilden Felder haben Naturschützer natürlich früh als ihr Refugium erkannt und natürlich versucht, zu verhindern, dass die Bauern weiter drainierten und entsteinten. Dieser Interessenkonflikt hat sich vor 20 Jahren mit den ersten Landschaftspflegeverträgen entschärft, aber auch weil unter Preisdruck Meliorationen unwirtschaftlich wurden.
Mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU sind die alten Konflikte wieder erwacht, weil auch Bergmähwiesen als gezähmtes Feld unter Schutz gestellt und mit einem Veränderungsverbot belegt worden ist. Bei unserem Rundgang beim Weidegespräch waren die als Biotope geschützten und unter Pflegeverträge stehenden wilden Felder deutlich zu erkennen, nicht aber die FFH-Bergmähwiesen. Die Bauern erfuhren die Abgrenzung in den digitalen Karten des Gemeinsamen Antrages, und empfinden e diesen Schutz trotzt angebotener Ausgleichszahlungen als willkürlich. Auf den ersten Blick sind jetzt vor der Heuerente die geschützten Bergmähwiesen kaum von den nicht geschützten zu unterscheiden. Erst wenn man näher hin schaut, stößt man auf die kennzeichnenden Pflanzen wie z.B. Bärwurz. Da diese Wiesentypen in diesem Gebiet nicht selten sind, wächst der Eindruck, dass diese Schutzstrategie politisch als Ausgleich für die ungebremste Intensivierung in Gunstlagen dient und Berggrünland damit seinen ursprünglichen Sinn verliert.
Bemerkenswert an der FFH-Richtlinie ist jedoch schon der Name. Im Gegensatz zum klassischen Artenschutz bezieht er sich auf das Habitat oder den Lebensraum. Doch in der Umsetzung herrschen noch die alten Denkmuster. So prallen die Managementplänen für die extensive Bewirtschaftung von der Administration mit der Situation der Bauern von der Futterernte bis zu den Anforderungen des Marktes aufeinander. Dabei übersehen beide Seiten, dass bis vor wenigen Jahrzehnten das Heu von diesen Bergmähwiesen das Winterfutter lieferte, wie der Biologe Prof. Günther Reichelt vor 50 Jahren klar beschrieben hat: …Grünlandtypen_Reichelt_1972
Vergleicht man die damaligen Beschreibungen von Prof. Reichelt mit den Artenlisten der FFH-Lebensraumtypen, so fällt auf, dass Gräser in den Artenlisten kaum noch vorkommen. Wobei der Goldhafer ebne nicht nur auf FFH-Bergmähwiesen vorkommt, wie die Liste suggeriert. Gräser sind das Gerüst des Grünlandes, Kräuter die Würze im Futter, aber allein von Kräutern wird kein Tier fett, weshalb früher kräutereiche Wiesen Magerwiesen genannt wurden. Bemerkenswert in Reichelt’s Beschreibungen ist, dass er das Dt. Weidelgras nicht erwähnt, obwohl das damals zur Ansaat auch schon verwendet wurde und heute überall nachgesät wird. So zählen Reichelt’s Arbeiten zu den wenigen, die im letzten Jahrhundert die Rolle des Grünlandes im Schwarzwald analysiert hatten. Er hat seine Karriere beim damaligen Institut für Höhenlandwirtschaft in Donaueschingen begonnen, dessen Leitbild „Umwelt, Futter und Leistung“ war. Einem Motto mit Sinn.
Nach dem ungewöhnlich warmen und trockenen Frühjahr fiel beim Weidegespräch noch etwas auf. Aufgrund des schütteren Wuchses zeigen sich sonst kräuterarme Flächen bunter und blütenreicher. Sich die Unterschiede zwischen intensiv und extensiv annähern, weil die Klimaerwärmung der gewohnten Intensität der Bewirtschaftung Grenzen setzt? Vor allem auf den flachgründigen Böden mit ihrer geringen Wasserhaltefähigkeit? Müsset die Diskussion zwischen Landwirtschaft und Naturschutz nicht den neuen Herausforderungen weichen, wie man den Trockenstress für Pflanzen, Boden und Weidetiere minimieren kann! Schließlich spielen immergrüne Weiden und Wiesen eine positive Rolle im CO2-Kreislauf, der das Klima aufzuheizen droht. Doch dazu gehört das Zusammenspiel mit einer standortangepassten Viehhaltung statt Milch- und Fleischproduktion mit Importfutter und Monstertechnik, die die positiven Funktionen der Grünlandböden schmälern. Es sind diese Zusammenhänge, die dem Berggrünland seinen Sinn zurückgeben könnten.