Nachhaltig, Ökologie und Regional sind die aktuellen Begriffe im Marketing. Verändert sich damit aber etwas? Dieser Frage galt unser Aschermittwochsgespräch am 26.Februar 2020 im Brigachhaus in St.Georgen-Brigach. Gesprächspartner war Christian Hiß, Vorstand der Regionalwert AG Freiburg. Er hat sich wie kaum ein anderer mit dieser Frage beschäftigt. Schon als jungem Demeter-Gärtner war ihm aufgefallen, dass Maßnahmen zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit oder die Verwendung von eigenem Saatgut sich in der Bilanz nicht als Gewinn niederschlagen. Weshalb sich die Betriebe dem Druck der Märkte beugen, sich spezialisieren und Saatgut, Dünger und Futter zukaufen und die bäuerliche und regionale Ökonomie ausgehebelt wird. Christian Hiß hat sich dieser Entwicklung nicht gebeugt, sondern versuchte die Ökonomie zu verstehen indem er sie studierte. Er gründete die Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG Freiburg um Bürger an Projekten zur ökologischen und regionalen Versorgung zu beteiligen. Die ökologischen und sozialen Leistungen der Regionalwert-partner sind die Dividende für die Aktionäre. Doch die Darstellung bei der jährlichen Aktionärs-versammlung erwies sich als nicht einfach, weil klare Maßstäbe fehlen.
Die Grundproblematik erkennen
Für Christian Hiß war das die Herausforderung, die Grundproblematik zu analysieren. Denn nachhaltig wirtschaftende Betriebe schaffen durch bestimmte Maßnahmen betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Werte. Was aber finanziellen Mehraufwand erfordert, der in der klassischen betriebswirtschaftlichen Buchhaltung nur auf der Kostenseite erscheint. Die positiven Effekte werden auf der Ertragsseite jedoch nicht verbucht. Dem Mehraufwand steht also keine Vergütung gegenüber und beim Verzicht darauf werden Verluste oder Risiken wie z.B. bei der Bodenfruchtbarkeit auch nicht erfasst.
Damit haben nachhaltig wirtschaftende Betriebe im Wettbewerb Nachteile, weil sie teurer produzieren. Weshalb sie diese Leistungen auf Dauer nicht erbringen können, sich anpassen und nicht nachhaltig wirtschaften. So verbreitet sich nicht nachhaltiges Wirtschaften und die negativen Effekte verstärken sich als Schäden und Risiken im Betrieb und der Gesellschaft (wie z.B. im Trinkwasser). Diese Entwicklung haben weder moralisierende Appelle aufgehalten noch ordnungsrechtliche Maßnahmen oder politische Anreizprogrammen.
Das Konzept Richtig Rechnen
ist Christian Hiß‘s Antwort. Er hat nicht nur den Fehler im System der ökonomischen Buchhaltung aufgedeckt, sondern mit dem Konzept Richtig Rechnen ein Modell geschaffen, das soziale, ökologische und regionalwirtschaftliche Leistungen erfasst und damit die Bilanz im nachhaltigen Sinne verändert. Dazu werden nicht die Güter, wie Luft, Wasser und Biodiversität an sich bewertet, sondern die betrieblichen Leistungen zum Schutz dieser Güter. Um die richtigen Maßstäbe zu finden, wurden sie auf 4 verschieden Höfen erforscht. Dabei brachte der Istzustand schon das Ergebnis, dass die Nachhaltigkeitsleistungen mehr als 10 % am Umsatz der Betriebe ausmachen und zwischen 72 und 520 % höher sind als die EU-Ausgleichszahlungen. Damit kann das Konzept Richtig Rechnen Steuerungsfunktionen übernehmen für die nachhaltige Entwicklung der Betriebe selbst, ihre Rolle zugunsten der Region, für eine faire Preisbildung und eine gerechte Honorierung der Leistungen.
Die Regionalwert-Nachhaltigkeitsanalyse steht unter www.regionalwert-leistungen.de bereits zur Anwendung zur Verfügung. Die Regionalwert-Nachhaltigkeitsbilanz wird in verschiedenen Regionen erforscht. Auch die Wirtschaft interessiert sich, für das Konzept. Die Landwirtschaft könnte das Konzept Richtig Rechnen aus dem Spannungsfeld helfen in dem sie sich befindet.