Kultur ist im Zeitgeist der Moderne auf Kunst reduziert. Auch in Agrar- und Umweltpolitik kommt die Kulturlandschaft kaum noch vor. Dagegen steht beim Agrikulturfestival in Freiburg, das heuer zum 11. Mal stattfand, die Agrikultur im Zentrum. Initiiert aus dem Kreis der Agronauten, um Landwirtschaft und Verbraucher wieder zusammen zu führen . Denn der Wohlstand der Supermärkte und Discounter hat einen Keil zwischen sie getrieben. Zwar werben diese Oligarchen mit Bildern von Bauernhöfen und Tieren auf der Weide, mit Ihren Anforderungen nach billiger Massenware zerstören sie jedoch genau diese Kulturgüter. Beim Agrikulturfestival wird versucht wieder bewusst zu machen, dass Erzeugung und Ernährung ein kulturelles System sind, das nicht weiter getrennt betrachtet werden soll. .
Der Bauernmarkt des Agrkulturfestival ist umringt von zahlreichen Informationsständen, von der katholischen Landfrauenbewegung, Umweltverbänden und vielen anderen, die sich mit Ernährung und Landwirtschaft beschäftigen. Hervorstechen immer mehr Solawis. Diese Solidarische Landwirtschaften stellen das marktwirtschaftliche Konsumdenken auf den Kopf, indem sie als Gruppe die Kosten des Anbaues vorfinanzieren und sich die Ernte dann teilen. Gemüse steht bei diesen Initiativen im Zentrum. Denn das wird in der Marktwirtschaft überwiegend aus Billiglohnländern importiert. Eine Studie des FibL hat aufgedeckt, dass sich die Stadt Freiburg mit Gemüse nur zu 20% aus der Region versorgt, obwohl hier alles wächst. Denn wie der Vordenker der freien Marktwirtschaft, David Ricardo, vor 200 Jahren vorgeschlagen hat, hat sich die Landwirtschaft regional darauf spezialisiert, was am rationellsten zu erzeugen ist. Diese Entwicklung hat nicht nur Bauern und Verbraucher entfremdet, sondern auch die Politik von der Ernährugssouveränität.
Beim Agrikulturfestival wird versucht mit Workshops, Diskussionen und Filmen Brücken zu einer regionalen Agrarkultur zu bauen. Die Agronauten hatten dazu im letzten Frühling bei einer Wanderung um den Hirzberg mit Siegfried Jäckle einen Film gedreht. Darin geht es um die Aufklärung, dass die Landschaft mehr ist als Idylle, dass sie nämlich in der klassischen Versorgungswirtschaft entstanden und ein Kulturerbe ist. Der Einblick in diese Kultur erweitert die Vorstellungskraft für den Ausblick aus der Sackgasse der totalen Marktversorgung. Die hat die Landwirtschaft dem industriellen Wachstumsdenken unterworfen. Dagegen war die bäuerliche Landwirtschaft vor etwa 50 Jahren auf Selbstversorgung aufgebaut. Und diese Subsistenz gilt bei Vordenkern der Zukunft als Vorrausetzung für Widerstand. Also Grund um sich mit dem bäuerlichen Kulturerbe auseinanderzusetzen.
Die politischen Debatten um Agrarwende, Umbau der Tierhaltung und Ökologisierung haben sogar die Entwicklung des Strukturwandels zu immer weniger Bauern verstärkt. Auch die Kritik der NGO und Gesellschaft greift zu kurz, die der Landwirtschaft zu wenig Rücksicht auf Biodiversität und Tierwohl vorhält. Denn solange unser Ernährungssystem dem marktradikalen Wettbewerb unterliegt, ändert sich nichts am Zwang zur Rationalisierung, der längst auch die Alternativen vereinnahmt. Deshalb muss das ganze Ernährungssystem neu gedacht werden. Weil Landwirtschaft im Unterschied zur Industrie eine Multifunktion in der Landschaft hat, darf die Ökonomie nicht weiter tabu sein. Dazu muss Richtig Rechnen, wie es Christian Hiß vorschlägt, Grundlage in der landwirtschatlichen Ausbildung, Beratung und Förderung werden, mit dem Ziel, dass Preise die Kostenwahrheit sagen. Denn mit Werbung für Öko, Regio und Tierwohl löst sich das Dilemma der Landwirtschaft nicht auf, sondern verstärkt sich durch die Auflagen. Vielmehr geht es darum, die Debatte um Ernährung und Landwirtschaft zu erden. Das Agrikulturfestival bot dazu wieder viele Bausteine. Der knappste Faktor sind immer noch die Bauern mit Erfahrungswissen um die lokale Agrikultur.