Beim Agrikulturfestival in Freiburg vom 21.-23. Juli 2017 wurden die sonst verdrängten Fragen gestellt und diskutiert: 1. Wie können wir Landwirtschaft fair und zukunfts-tauglich gestalten – für Menschen, Umwelt, Tier und Pflanzen? 2. Welche Alternativen gibt es zu einem Wirtschaftssystem, das einen enormen Druck auf alle Beteiligten ausübt? Es sind die richtigen Fragen, weil die bisherigen agrar- und umweltpolitischen Maßnahmen keine Antwort bieten, sondern den Druck eher verstärken.
Eine bunte Schar von Akteuren präsentierte auf dem Agrikulturfestival auf Ständen und bei Vorträgen ihre Vorstellungen. Diese Vielfalt sprengt die klassische Diskussion um eine Agrarwende. Bei Vielen geht es um einen anderen Lebensstil, der weniger abhängig ist. Denn unser Wirtschaftssystem treibt nicht nur die Bauern in die Tretmühle des Investieren, mehr produzieren, Preisdruck und höhere Qualitätsstandards, sondern via Werbung auch die Konsumenten, damit die Wirtschaft wächst. Unsere Vorstel-lungen über eine Kultur der Nähe als Antwort auf die zweite o.g. Frage fand große Beachtung (siehe voriger Beitrag)
Michael Beleites aus Sachsen brachte als Biologe dazu nachdenkliche Fakten. Nach der Wende im Osten sei die Hoffnung auf Befreiung aus den zentralen Strukturen bitter enttäuscht worden, weil der Westen die früher verpönten Produktionsgenossenschaften in Kapitalunternehmen verwandelte. Damit sei für die Bauern im Kapitalismus ebenso wenig Platz geblieben wie zuvor im Kommunismus. Zwar konnten sie die alten Hofstellen wieder in Besitz nehmen, aber das Land dazu blieb amputiert. Die parallele Umstellung der Agrarpolitik von Marktordnung auf Flächenprämien hat diesen Prozess begünstigt.
Als Biologe vergleicht Michael Beleites diesen Wachtumsprozess mit Darwins Evolutionstheorie von der natürlichen Auslese, die Darwin „Kampf ums Dasein“ nannte. An Hand seiner Forschungen widerlegt Beleites diese Theorie und sagt, in der Natur überleben nicht die Stärksten sondern die Fittesten oder Anpassungsfähigsten. Doch unser Wirtschaftssystem hat sich Darwins Evolutions-theorie zu Eigen gemacht, und lässt sich von der Politik in diesem Sinn fördern. Die Entwicklung der Landwirtschaft in den neuen Ländern ist das Symbol dafür. Diskussionen um einen fairen Wettbe-werb in diesem System seien wie ein gebratener Schneeball. Denn Agrarsubventionen sollen nicht die Bauern unterstützen, sondern Lebensmittel billig halten. Weil die Politik mehr Angst vor Hunger (als Auslöser von Revolutionen) habe als vor den Rückständen der industriellen Landwirtschaft. Weshalb es nichts bringe, Diejenigen zu kritisieren, die sich systemkonform verhalten.
Beleites schlägt deshalb eine Landwende vor, weg vom Verdrängungswettbewerb, hin zu
- Ökologischer Kreislaufwirtschaft
- Regionale Versorgungssouveränität
- Postwachstumsökonomie
Diese Landwende wird nach Michael Beleites Erfahrungen immer schwieriger, weil nach zwei Generationen die Fertigkeiten der regionalen Versorgung geschwunden sind. Um gegenüber den Krisen des herrschenden Wirtschaftssystems widerstands-fähiger zu werden, könnten diese Fertigkeiten zum Überleben zum knappsten Faktor werden. Der Bauernhof vom Produktionsort zum Lernort werden.
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