Erntedank zwischen satt und unzufrieden

Das Erntedankfest war ursprünglich das Fest, für die Ernte zu danken, dass wir über Winter satt werden. Heute ist es ein romantischer Event mit immer weniger Bezug zu Ernte und Versorgung. Letztere besorgen die globalen Supermärkte und die satten Konsumenten sind unzufrieden, weil sie die idyllischen Bauernhöfe vermissen. Weshalb die Industriegesellschaft gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft ist und die Bauern die Wertschätzung für ihre Ernte vermissen. Diese Wider-sprüche werden in den Debatten um unser Ernährungssystem fast immer verdrängt. Der Ackerbauer im Rheinland, Dr. Willi Kremer-Schillings, hat sich wie sonst kaum jemand damit auseinandersetzt und ist dafür als Bauer Willi bekannt. Deshalb haben wir ihn zum Erntedankgespräch am 2. Oktober 2024 im Brigachhaus eingeladen.
Bauer Willi sieht in den unterschiedlichen Bildern von Bauern, Medien und Verbrauchern die Ursache dieser Widersprüche. Die Bauern sähen sich als Produzenten und bangen unter dem Preis- und Auflagendruck um ihre Existenz. Immer mehr geben auf. Die Medien Brauchen zu ihrer Existenz Skandale und machen daraus Geschichten, auch wenn die Skandale längst überwunden sind. Damit prägen sie ein Bild von Landwirtschaft, das ihre Vielfalt ignoriert. Die Verbraucher greifen nach billigen Lebensmitteln in den Supermärkten und glauben an die von der Werbung suggerierte Landlust. So herrscht ein Dilemma für alle.

Wer macht die Meinung, ist für Bauer Willi deshalb die Kernfrage. Deshalb hat er vor über 10 Jahren einen offenen Brief an die Verbraucher geschrieben, in dem er seine Rolle in diesem Dilemma thematisiert hat. Damit hat er Aufsehen bis in Talkshows gefunden. Mit dem Internetblog https://www.bauerwilli.com/ kämpft er seither gegen die Halbwahrheiten um Landwirtschaft und Ernährung, wie sie jüngst eine Studie der deutschen Bischofskonferenz wieder nachbetet. Aber einfache Lügen habe es leichter als komplizierte Wahrheiten, hat Bauer Wille erkannt und versucht unermüdlich die Ursachen aufzudecken. So hat er aufgespürt, dass an dem in der Krefelder Studie in einem Naturschutzgebiet beklagten Insektensterben nicht die umgebende Landwirtschaft die Ursache ist, sondern die wegen dem Naturschutzgebiet aufgegebene Weidehaltung die Ursache ist. Denn Kuhfladen auf Weiden sind wichtige Lebensräume für Insekten.

Die Herausforderung sieht Bauer Willi darin, Rentabilität der Landwirtschaft mit Nachhaltigkeit unter einen Hut zu bringen! Mit Forderungen und Auflagen bei zugleich Billigpreisen gelingt das nicht, wie der Frust in der Landwirtschaft zeigt. Denn Landwirtschaft, egal in welcher Form, ist immer ein Eingriff in die Natur. Ernten also immer ein Kampf mit der Natur. Deshalb müssten Bauern ihre Rolle als Unternehmer mit Geschichten besser erklären. Denn wenn wir nichts tun, ändert sich nichts. Damit die Debatte um Ernte und Landwirtschaft sich nicht weiter nur um Mittel dreht, sollte es unsere Aufgabe sein, sie mit Geschichten wieder auf ihren Zweck zu lenken damit Erntedank wieder seinen Sinn bekommt.

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