Der 11. Dezember ist seit 18 Jahren der Internationale Tag der Berge. Die UNO hat ihn nach dem Internationalen Jahr der Berge 2002 ausgerufen, um den Sinn der Berge im Bewusstsein zu halten. Das Forum Pro Schwarzwaldbauern hat mit seinen Schwarzwälder Thesen zum Int. Jahr der Berge Aufmerksamkeit erregt, weil es die Sinnkrise der Schwarzwaldbäuerinnen- und bauern zwischen rationaler Landwirtschaft und Landschaftspflege thematisiert und die Ursachen hinterfragt hat. Seither ist der Int. Tag der Berge ein fester Prorammpunkt des Forums mit Kollegen oder Experten aus anderen Bergregionen. Dieses Jahr bleibt es wegen den Coronaregeln bei dieser Presseerklärung zur Situation. Dabei wären die 18 Jahre alten Schwarzwälder Thesen keineswegs überholt, aber die Agrarpolitik wandelt die Begriffe wie die Globalisierung unser Ernährungssystem. Außerdem verspüren Bauern in den Bergen die Klimaerwärmung sehr direkt mit bereits 3 Trockenjahren. Und ihre Sinnkrise hat sich durch die pauschalen gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Biodiversität und Tierwohl verstärkt, weil ihre Kühe noch überwiegend auf die Weide gehen, die oft sogar artenreiche Schutzgebiete sind.
Berge im Zusammenhang sehen
So ist es besonders bemerkenswert, dass die mit der Organisation des Tags der Berge beauftragte Welternährungsorganisation FAO die biologische Vielfalt der Berge zum diesjährigen Motto gemacht hat. Dazu stellt sie fest, dass sechs von den wichtigsten Pflanzenarten für unsere Ernährung aus den Bergen stammen, mehr als die Hälfte der Menschheit auf Süßwasser aus den Bergen angewiesen ist und dass die Hälfte der weltweiten Biodiversitäts-Hotspots in den Bergen liegen, aber nur 15 % der Menschen in den Bergen leben. Sie betont damit den Zusammenhang von Ernährung, Wasser und Biodiversität im Gegensatz zur administrativen Trennung dieser Funktionen hierzulande, die Berge lieber als Freizeitparks oder Wildnis sehen. Womit verdrängt wird, dass Berge unterhalb der ewigen Schneegrenze Kulturlandschaften sind, die in Europa erst vor nicht ganz tausend Jahren von Klöstern besiedelt worden sind. In weiser Voraussicht erhielten die Siedler größere Freiheiten als im Altsiedelgebiet, um eine an den Standort angepasste Landbaukultur zu entwickeln, die ihnen Identität gegeben hat. So sind in den Bergen über Generationen unterschiedliche Kulturen mit einer großen biologischen Vielfalt entstanden.
Regulierung versus Gestalten
Diese Freiheiten fehlen heute der Berglandwirtschaft. Denn die Politik fordert, dass sie am Markt wettbewerbsfähig werden müsse und lässt zugleich Auflagen für Klima, Natur- und Tierschutz wuchern. In dieser paradoxen Situation resignieren immer mehr Schwarzwaldbäuerinnen und -bauern und weichen, während andere durch wachsen überleben wollen und sich wie Natur und Klima überfordern. In den Schwarzwälder Thesen von 2002 hatte das Forum Hoffnung im ökologischen Landbau und Regionalvermarktung Hoffnung gesehen. In der Zwischenzeit ist öko wie regional von den Marktmächten als Standard im globalen Handel vereinnahmt, was für die Bauern zusätzliche Fremdbestimmung bedeutet. Deshalb ist im Forum die Einsicht gereift, dass Forderungen an die Politik nur neue Auflagen zur Folge haben, die das höflich Strukturwandel genannte Weichen und Wachsen antreiben, aber die Ursachen in unserer Volkswirtschaft liegen.
Situation der Berge sind Symptome der Globalisierung
Die Probleme der Berggebiete und ihrer Landwirtschaft sind Symptome unseres globalen Wirtschaftssystems, wo der gewinnt, der es am Billigsten kann. Dass in diesem freien Markt die Landwirtschaft im Schwarzwald nicht wettbewerbsfähig ist, hat schon 1968 der erste Agrarkommissar der EWG, Sicco Mansholt, festgestellt und damit eine Diskussion entfacht, die wieder fällig wäre. Denn am Berg sind die Arbeitsleistungen geringer und damit die Kosten höher sowie mit zunehmender Höhenlage die Erträge geringer. Das Paradoxe dabei ist, dass ebene Tallagen zunehmend mit Straßen und Gewerbebieten verbaut werden, während die Berge Opfer der Klimaerwärmung werden und so ganze Regionen ihren landschaftlichen Reiz verlieren. Das Forum beschäftigt sich deshalb mit einem Kulturwandel zu einer Kultur des Genug. Dabei ist das Forum nicht allein, sondern hat Gesprächspartner in anderen Bergregionen gefunden wie auch im Kreis kritischer Wissenschaftler sowie Autoren.
Auswege zu einer Kultur des Genug
Um zu einer Kultur des Genug zu kommen, müssen die Denkfehler erkannt werden, für die unser auf endloses Wachstum fixierte Wirtschaftssystem blind ist. In der jahrelangen Auseinandersetzung damit haben sich im Forum Pro Schwarzwaldbauern drei grundsätzliche Themen als Ausweg aus dem Dilemma herausgestellt:
1. Die Preise müssen die Wahrheit sagen, wozu sie auch ökologische und soziale Kosten wie Leistungen enthalten müssen. Denn sonst bleiben weiter diejenigen wettbewerbsfähig, die auf Ökologie, Tiere und Menschen wenig Rücksicht nehmen. Christian Hiß von der Regionalwert AG in Freiburg hat aus dieser Einsicht eine erweitere Forum der Buchhaltung entwickelt und beim letzten Aschermittwochsgespräch dem Forum vorgestellt: https://forumproschwarzwaldbauern.de/auch-nachhaltig-rechnen/
2. Die natürlichen Standortunterschiede zwischen Berg und Ebene sind durch Globalisierung und Klimaerwärmung größer geworden. Um gleichwertige Bedingungen zu schaffen, ist ein gerechter Ausgleich notwendig. Der hatte die Anfänge der Europäischen Agrarpolitik geprägt mit der Ausgleichszulage für Berg- und benachteiligte Gebiete, die aber in den letzten Jahrzehnten zugunsten pauschaler Flächenzahlungen abgebaut wurde. Dieser Ausgleich ist jedoch notwendiger denn je und hat als Werkzeug für einen gerechten Ausgleich im österreichischen Berghöfekataster ein Vorbild: http://berggebiete.at/cm3/de/component/content/article/16-themen/berglandwirtschaft/110-bhk.html
3. Die Ländliche Entwicklung muss neu gedacht werden. Sie geht von urbanen und globalen Vorstellungen aus und wirkt somit polarisierend und macht Berge zur Kulisse oder ökologischem Alibi. Die Coronakrise hat Schwachstellen des zentralen Versorgungsdenkens offenbart, das mit seiner Mobilität zudem Klima und Umwelt massiv belastet. Deshalb muss ländliche Entwicklung regionale Kreisläufe unterstützen und dazu die Potentiale von Land und Stadt und Berg und Tal vernetzen. Dazu hat der bekannte Alpenprofessor Werner Bätzing und Gesprächspartner 2018, siehe: https://forumproschwarzwaldbauern.de/zwischen-wildnis-und-freizeitpark/ , in seinem neuen Buch „Das Landleben – Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform“ neue Leitideen entwickelt.