Machen statt fordern

Während in Berlin die Grüne Woche als größte Ernährungsmesse der Welt eröffnet wurde und   Landwirte in vielen Städten wegen Umweltauflagen und schlechter Preise demonstrierten, trafen sich andere im Audimax der Uni Freiburg. Dort sprach Prof. Dr. Niko Paech auf Einladung des Gründers der Regionalwert-AG Christian Hiß zur grundsätzliche Frage: Vom ökologischen Notstand  zur Transformation – aber wohin? Niko Paech sieht unser Ernährungssystem im Zentrum der Klima- und Umweltdebatte, weil es Verursacher und Opfer der Situation ist. Dabei fragt er nicht wie der Mainstream, mit welchen alternativen Mitteln das wachstumsabhängige System  aufrechterhalten werden kann, sondern wie das System ohne klima- und umweltschädigendes Wachstum funktioniert. Seine Antworten sind der urbäuerlichen Lebensweise näher als dem modernen arbeitsteiligen Ernährungssystem. Weil die parlamentarische Politik durch die Angst vor der Wiederwahl mit dem Dogmenwandel überfordert ist, sieht er die Transformation von der Zivilgesellschaft ausgehend. Denn im 21. Jahrhundert wird die zentrale Frage des Überlebens, wie wir in Freiheit nicht über unsere Verhältnisse leben.

Dazu hat er im Forschungsprojekt NASZENT Reallabore in und um die Metropolen gefunden und untersucht. Suffizienz und Subsistenz sind ihre gemeinsamen Merkmale. Suffizienz heißt für Niko Paech statt globaler Versorgung Lust auf das was im regio-nalen Umfeld wächst. Subsistenz heißt für ihn daraus mehr selber machen und achtsam damit umgehen. Dazu nannte er folgende Handlungsmöglichkeiten:

a)   reduzierte Nachfrage nach tierischen Produkten*                                                      b)   regionale und saisonale Produkte                                                                          c)   vollwertige  Ernährung                                                                                                                        d)  eigenständige Zubereitung                                                                                          e)   Vermeidung von Abfall                                                                              f)    Eindämmung von Fast Food und Einwegverpackung

* Pkt. a) wirkt auf den ersten Blick für Bauern im Schwarzwald und anderen Berg-Regionen bedrohend, weil hier nur Gras wächst aus dem nur Milch und Fleisch erzeugt werden kann. In Verbindung mit Pkt. b) und den nachfolgenden Bericht über das erfolg- reiche Tiroler Vermarktungsprojekt von Heinz Gstir ist das die Herausforderung regional über Anbauzonen hinweg zu denken. 

Subsistenz sieht Niko Paech als Selbstversorgung im Netzwerk, statt die Vermarktung anderen zu überlassen. Auf Bauernhöfen wären die Möglichkeiten dazu größer und leichter als in der Stadt. Aber das Denkmuster des vertikalen Wachstums hat nicht nur die Selbstversorgung verdrängt, sondern lässt auch die Mitgestaltung am vertikalen Ernährungssystem scheitern, weil es auf Konzentration und Konkurrenz baut. Darum schlägt Niko Paech für die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem  die horizontale Vervielfältigung der vielen regionalen Übungsprogramme vor. Damit sie miteinander überlebensfähig werden und ihren Sinn behalten statt sich zu konkurrieren. Denn Entscheidungen würden nicht isoliert gefällt, sondern in sozialer Dynamik.

Ein nachhaltiges Ernährungssystem bedarf also der Befreiung vom Wachstumsdogma. Denn wie wir es mit Bio im Discounter und wuchernde Auflagen für Direktvermarktung erleben, versucht das Wachstumsdogma diese Bewegungen zu bestimmen, zu vereinnahmen um die Wertschöpfung für das alte System zu sichern. Dieser Impuls von Niko Paech’s Postwachstumsökonomie sollten wir auf unseren Schwarzwaldhöfen  ernst nehmen.  Eigene Versorgung mit Futter, Vieh, Holz sowie eigene Reparaturen und vor allem eigene Lebensmittel sind Bestätigung für eigenes Handeln, spart  und macht zufrieden. Also Schritt für Schritt die Möglichkeit den Wachstumszwang zu verlassen.

Machen statt fordern
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