Beim Schwarzwaldbauerntreff am 18.September 2019 in Schönwald haben wir uns gefragt, was wir im Spannungsfeld zwischen Klimaerwärmung, Markt und Politik von der Infotour in den Bregenzerwald lernen können. Ist der Bregenzerwald doch auch ein Berggebiet, das wie der Schwarzwald erst im Mittelalter von Klöstern besiedelt worden ist. Die Entwicklung in dem abgeschlossen Hochtal und im Schwarzwald verliefen jedoch weniger gleich. So ist es im Bregenzerwald wie im benachbarten Allgäu schon Mitte des 19. Jahrhunderts zur Vergrünlandung, also Aufgabe des Ackerbaues, gekommen, im Schwarzwald erst ein Jahrhundert später. Die Einführung der Hartkäserei war wohl die Schlüsselinnovation, mit der Milch im abgelegenen Hochtal halt- und handelbar gemacht wurde. Zeitgleich entstand im Schwarzwaldaus aus dem Uhrmacherhandwerk entlang der Flüsse die Industrialisierung, wie sie im Bregenzerwald nie erfolgt ist. Die Arbeiter der wachsenden Industrie brauchten Korn, Kartoffeln, Milch und Butter und haben die Feldgraswirtschaft begünstigt. Neben den Bodenunterschieden zwischen Kalk- und Urgestein war es also damals schon das wirtschaftliche Umfeld, das die Entwicklung der Landwirtschaft bestimmte. Dieser kulturelle Hintergrund wird heute gern übersehen, wenn Projekte aus anderen Regionen kopiert werden, aber Strohfeuer bleiben. Kapieren statt kopieren ist deshalb bei unseren Infotouren der Leitsatz.
Die Klimaerwärmung
ist im Bregenzerwald wie im Schwarzwald spürbar. Unser Freund Kaspanaze Simma erklärte bei der Alpwanderung, dass seit 2000 schon fünfmal im Mai das Vieh auf die Hochalpe getrieben werden konnte, während das früher immer erst um den 10. Juni möglich war. Jetzt Ende August offenbarte sich aber, dass sich die Wachstumsperiode im Spätsommer nicht verlängert, obwohl weniger Tiere aufgetrieben werden. Wohl weil die wärmeren Hochsommer auch in Hochlagen den Grasnachwuchs hemmen. Dabei war die Alpwirtschaft schon immer an die Dynamik des Graswuchses angepasst. Im Bregenzerwald sogar als Dreistufenwirtschaft, die in die Unesco-Liste der immateriellen Kulturerbe aufgenommen ist. Ihre Besonderheit sind die Vor- oder Maiensäßen. Als Zwischenstation zwischen Tal und Hochalpen kann in diesen Waldlichtungen bereits geweidet werden, bevor auf den Hochalpen etwas gewachsen ist. Wenn das Vieh dann auf die Hochalpen getrieben wird, die in der Regel Gemeinschaften mit angestellten Sennen oder Hirten sind, kann im Tal und später auf den Vorsäßen Heu für den Winter geerntet werden. Beim Abtrieb von den Hochalpen kann auf den Vorsäßen noch nachgeweidet und das dort geerntete Heu verfüttert werden. So war die die Arbeit gut verteilt, sondern im flächenknappen Tal musste das Vieh nur im Winter versorgt werden. Weshalb Kaspanaze bedauert, dass mit der Erschließung der Alpen mit Wegen die transportextensive Alpwirtschaft in Vergessenheit gerät. Denn transportextensiv heißt kaum Kosten und auch kaum CO2-Ausstoß, der die Klimaerwärmung fördert. So ist dieses Kulturerbe im doppelten Sinn ein Lehrstück zur Anpassung an die Herausforderungen der Klimaerwärmung!
Der Markt
steuert die Entwicklung, sagt der neoliberale Zeitgeist. Aber dieser Markt ist kein direkter Ort der Begegnung von Angebot und Nachfrage mehr. Denn zwischen Erzeu-gern und Konsumenten hat sich im Kapitalis-tischen System Verarbeitung und Handel zu einem Flaschenhals konzentriert. Zu einer Machtkonzentration, die die billigsten Anbie-ter fördert und die Konsumenten über aus-gefuchste Werbung bindet. Markt ist zum Marketing verkommen. Um in dieser Ent-wicklung zu überleben, haben vor 20 Jahren im Bregenzerwald 15 Talsennereien sowie Höfkäsereien und Gastronomen die Käse-straße Bregenzerwald gegründet. Mit dem Erfolg, dass die Talsennereien noch alle existieren indem sie einen gemeinsamen Käsereifekeller und eine Schaukäserei gebaut haben. Aber am freien Käsemarkt konnte sich die Käsestraße nicht etablieren. Von Anfang an dabei ist der Naturhautnahhof Metzler mit seinem eigenen Konzept. Ingo Metzler gab sich mit der klassischen Wertschöpfung des Käsens nicht zufrieden, sondern hat den Abfall Molke zu veredeln begonnen und damit einen neuen Markt erschlossen. Er sieht in der Käsetraße ein Instrument zur Kooperation mit anderen Regionen, um mit dem Austausch ihrer Spezialitäten (z.B. Käse und Wein) den regionalen Markt zu stärken. Außerdem kooperiert er für seinen Käse- und Molkeerzeugung zunehmend mit Bauern und bei der Kosmetikherstellung mit Gesundheitshotels. Dahinter steckt die Einsicht, dass im vollen Markt von Milch und Käse Produktdiversifizierung wie Alp- Berg- und Biokäse ebenso wenig ausreichen wie Marketing mit Labeln allein. Berggebiete brauchen vielmehr eine Bündelung von authentischen Qualitäts-produkten zum regionalen Gericht, wie es Metzler zum Abschluss seiner Hofführungen präsentiert.
Die Politik
soll unsere Probleme lösen, wird bei Demonstrationen und von Lobbyverbänden gefordert. Doch in diesem Interessensystem ist die Landwirtschaft nur noch eine Minderheit und Bergbauern darin wiederum eine Minderheit. Mit der Folge, dass immer mehr Regelungen von der Landwirtschaft schwer umzusetzen sind und sie in Bergregionen gar in Frage stellen. Obwohl diese Reglemen-tierungen Vielfalt (biologisch und handwerklich) und regionale Eigenart (z.B. Baukultur) schützen sollen, zerstören sie sie zusammen mit dem Marktdruck. Der Bregenzerwald ist ein Gegenbeispiel mit seiner modernen Holzbaukultur, die eine neue Identität ausstrahlt. Triebkraft war aber nicht die Politik, sondern das Holzhandwerk mit Architekten und Bauherren. Politik funk-tioniert also wie Franz Rohrmoser sagt: das Persönliche ist politisch und das Poltische ist persönlich. Einmischung mit Fakten ist erforderlich, damit die Landwirtschaft nicht noch mehr fremdbestimmt wird. Damit Politik nicht mit Ideologie verwechselt wird, gilt es die Entwicklung im Umfeld wahrzunehmen. In der z.B. vom Bregenzerwald immer mehr Leute ins Rheintal pendeln und der Tourismus sich in schneesicheren Höhen konzentriert. Ein Vorbild ist unser Bregenzerwälder Freund Kaspanaze, der als grüner politischer Vordenker lebt was er wollte. Politische Forderungen zu stellen, ist also zu wenig, unser Verhalten bestimmt die Richtung der Entwicklung ebenso.