Entwicklungen in anderen Bergregionen geben Impulse für unsere Arbeit. Am 24. August 2019 waren dazu 35 Schwarzwaldbäuerinnen und -Bauern auf Infotour im Bregenzerwald. Dort besuchten sie zwei ganz unterschiedliche Bauern, die nicht im Mainstream mehr Mich erzeugen. Das erste Ziel war der Naturhautnahhof Metzler in Egg. Schon vor 20 Jahren war er Aushängeschild der Käsestraße Bregenzerwald als Regionalentwicklungsmodell. Inzwischen hat sich der klassische Bregenzerwälder Hof zu einem bäuerlichen Unternehmen mit 30 Mitarbeitern entwickelt. Der Querdenker Ingo Metzler hat in der traditionellen Käserei auf dem abgelegenen Hof erkannt, dass beim Käsen neunzig Prozent der Milch als Käsewasser oder Molke übrig bleiben, die an Schweine verfüttert wurde, die nicht mehr rentabel waren. Er erinnerte sich, dass schon in der Antike Molke als Schönheitsmittel diente und machte sich daran, Molke zu Badezusätzen und Cremes zu veredeln um die Wertschöpfung seiner Milch zu verbessern. Die Idee ging auf und sprengte bald die vorhandenen Gebäude. Rechtliche Vorgaben verlangten eine räumliche Trennung von Landwirtschaft, Käserei und Kosmetikproduktion. Also plante er einen Neubau in moderner Holzbauweise, wie sie in der Zwischenzeit Markenzeichen des Bregenzerwaldes ist. Der Holzbaustil ist jedoch nicht Fassade, dahinter verbergen sich Ställe für die naturgemäße Haltung der Kühe und Ziegen, eine Käserei und die um ein digital gesteuertes Hochregallager organisierte Kosmetikproduktion.
Der ganze Betrieb Metzler ist beinahe energieautark durch ein Energiekonzept, das Sonnenwärme im Schotter unter der Bodenplatte speichert. Um die Produktionsanlagen auszulasten, kooperiert Metzler inzwischen, mit sieben Bauern die auch Ziegen melken in einem Franchisesystem und mit Gesundheitshotels, für die er ihre speziellen Kosmetikartikel herstellt. Metzlers eigenes Angebot umfasst über 100 Artikel, von Käse über Molkedrinks bis zu Kosmetik für jeden Zweck, die überwiegend im Versandhandel vertrieben werden. Die Verantwortung für die verschiedenen Bereiche ist auf die Söhne aufgeteilt. Die Mission von Ingo Metzler steckt im Hofnamen, Natur hautnah erleben. Damit Besucher das verstehen, ist der Hof so gebaut, dass von Galerien aus Ställe, Käserei und Kosmetikproduktion einzusehen sind. Auch die Ziegen können von ihrem Tollhaus auf die Galerie aufsteigen. Die Führung endet bei einer Verkostung am Käsebuffet. Um zum Käse Wein anbieten zu können, gibt es eine Kooperation über die Käsestraße mit dem Weinviertel in Niederösterreich. In Schwarzwälder Kirschwasser und -torte sah Ingo Metzler gleich eine weitere regionale Kooperation.
Einen Blick auf und über den Bregenzerwald erlebten die Schwarzwaldbäuerinnen und -bauern am Nachmittag. Dazu trafen sie sich mit dem alten Freund des Forums, Kaspanaze Simma in Andelsbuch. Als einer der wenigen Bauern hat er es verstanden, nicht in die Tretmühle des Investieren und Wachsen zu geraten. Sondern auf einem relativ kleinen Hof mit seiner Familie als Selbstversorger in Fülle zu leben. Zum Hof gehören Anteile einer Alp, auf die er die Schwarzwälder mit der Seilbahn von Bezau aus führte. Die Auffahrt führte über die Waldinseln der Vor- oder Maiensäße auf die eintausend Meter höher gelegene Hochalpe Niedere. Die Alpen sind mit Seilbahnen erschlossen, weil sie zu den bekannten Wintersportgebieten im Bregenzerwald gehören. Die Alpwirtschaft im Bregen-zerwaldes ist eine Dreistufenwirtschaft und deshalb sogar in der nationalen Liste der immateriellen Kulturerbe der UNESCO eingetragen. Die bei der Auffahrt gesehenen Vorsäße sind Zwischenstation beim Alpauftrieb im Frühling, weil es da schon etwas zu weiden gibt und beim Abtrieb im September wieder. Sie gehören in der Regel zum Eigentum der Höfe im Tal, weshalb der Viehscheid von den Gemeinschaftsalpen im Bregenzerwald kein folkloristischer Event im Tal ist. Über steile und karge Weiden führte Kaspanaze die Schwarzwälder zur Alpe hintere Niedere, wo er Mitbesitzer ist und erklärte dort das auf und ab der Alpwirtschaft. Schon in der Frühzeit wurden die Alpen oberhalb der Baumgrenze zur Ergänzung der knappen Futterflächen in den Tälern genutzt. Mit der Einführung der Hartkäserei vor 150 Jahren stieg die Wertschöpfung, weil die Milch als Käse haltbar gemacht werden konnte. Heute würden jedoch neunzig Prozent der Einnahmen von diesem Käse von den Kosten des Fortschritts für Erschließung und Gebäude verschlungen. Deshalb kämen immer weniger Kühe auf die Alpen, während früher die Übernutzung der sensiblen Alpen durch verbriefte Weiderechte verhindert werden musste. Denn in diesen Höhenlagen wächst nur kurze Zeit Gras. Vor 2000 sei das Vieh um den10. Juni aufgetrieben worden, seither schon fünfmal im Mai, berichtete Kaspanaze. Dennoch brauche man heute 40 Kühe, nur um das Personal zu bezahlen, das meistens aus dem Ausland komme. Auf der hinteren Niedere sogar aus Brasilien. Dies Entwicklung erklärt der Bauernphilosoph Kaspanaze so: je höher die Löhne, umso weniger sei die Arbeit Wert. Weshalb auch die Idylle des Bregenzerwaldes, die sich bei der Abfahrt mit dem Sessellift nach Andelsbuch bot, trüge. Denn immer mehr Menschen aus dem vorderen Bregenzer-wald pendeln in die Städte ins Rheintal und oben entsteht eine touristische Monostruktur entstehe. Weshalb Kaspanaze bedauert, wie die einst transportextensive, energiesparende Alpwirtschaft von einer energieintensiven Pendlerwirtschaft abgelöst wird. Der Blick bei der Abfahrt bis zum Bodensee erinnerte an die Galerie im Naturhaut-nahhofes auf den Kuh- und Ziegenstall. Dieser Weitblick ist auch die eine Gemeinsamkeit der besuchten und so unterschiedlichen Freunde. Die andere Gemeinsamkeit ist ihre klare Analyse des eigenen Umfeldes, die ihre Bodenständigkeit ausmacht. Was von diesen Eindrücken vom Bregenzer-wald zu lernen ist, soll beim nächsten Schwarzwaldbauerntreff weiter diskutiert werden.