Nach der Reform ist vor der Reform

Grüner und gerechter sollte  die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2014 – 20 werden und die Landwirtschaft wettbewerbsfähiger machen.  Beim Schwarzwaldbauerntreff am 3. November 2014 haben wir uns nun gefragt, ob die bekannten Beschlüsse wirklich eine Reform sind? Nüchtern betrachtet ist allein die Umverteilung der einheitlichen Betriebsprämie für die ersten Ha ein zaghafter Versuch einer Reform. Damit wird sie für Schwarzwaldbauern in der Regel ein Nullsummenspiel sein. Aber die Wettbewerbsverzerrungen zwischen Groß und Klein sowie Berg und Tal bleiben, weil hierzulande der politische Mut (oder die Einsicht) fehlt, (öffentliche) Leistungen fair zu berücksichtigen. Ein Zeichen, dass die bäuerliche Multifunktion, wie sie in der Ära Fischler als Begründung für Direktzahlungen eingeführt worden ist, kaum noch Thema ist. Stattdessen ist der Trend zur Teilung der Landschaft in Produktionsgebiete und Pflegeparcs unübersehbar.

Ein Blick in die Geschichte der GAP zeigt, dass seit ihrer Gründung 1957 sie von Reform zu Reform treibt. Getrieben weniger von landwirtschaftlichen Problemen, als von den begrenzten Finanzen der EU.  Immer wurden aber nur Instrumente zu reformieren versucht. Von der Preisstützung über Produktquoten und -prämien zur einheitlichen Betriebsprämie, die man jetzt mit Greening zu rechtfertigen versucht, wozu das Grünland wieder einmal als Alibi dient.

Die eigentlichen Ziele der GAP sind seit 1958 als Art. 39 im EWG-Vertrag formuliert und als Artikel 33 in die Verfassung von Lissabon übernommen worden:

1. die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;

2. der landwirtschaftlichen Bevölkerung insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;

3. die Märkte zu stabilisieren;

4. die Versorgung sicherzustellen;

5. für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen.

Damit erklärt sich das politische Leitbild: Die Landwirtschaft soll rationalisieren, damit Lebensmittel billig bleiben wodurch immer weniger Landwirte davon leben können.

Zur Umsetzung dieser Ziele wurde 1968 der sog. Mansholtplan vorgelegt, der in der ganzen damaligen EWG massive Proteste der Bauern auslöste. Nach diesem Plan waren Regionen wie der Schwarzwald zum Weichen verurteilt. Als Folge wurde 1975 die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete als erste Direktzahlung sowie Regionalprogramme eingeführt. Zweieinhalb Jahrzehnte später sollte sich nach der Wiedervereinigung mit den neuen Ländern dieses  Blatt wieder wenden. Unter der Faszination der Größe der ehemaligen LPGen entstand eine Art Torschlusspanik für  das Wachsen als Leitbild. Zu protestieren begann die Zivilgesellschaft wegen der unübersehbaren Folgen dieses sog. Strukturwandels in der Landschaft, auf Umwelt und Tierethik. Der Versuch des Greening der GAP 2014-20 ist nur halbherzig, weil Wachsen weiterhin mit Ha-Prämien und Förderung von Investitionen belohnt wird.

Über eine andere Folge wird kaum geredet. Nämlich, dass sich die Landwirtschat in Mitmacher und Opfer spaltet sowie neben der Gruppe der Widerständigen (neudeutsch resiliente). Letztere waren unter Schwarzwaldbauern mit ihren Einzelhöfen häufig, bis sie mit der Kontrollitis immer häufigerin Konflikt gerieten. Sie haben eigentlich die Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt erhalten, aber Vielfalt passt nicht zum standardisierten (Kontroll-) System. Am schlimmsten ist, dass diese Spaltung die ohnehin schwache Rolle der Schwarzwaldbauern am Markt zusätzlich schwächt.

Beim Schwarzwaldbauerntreff ist allen klar geworden, wie abhängig die Landwirtschaft von den Tröpfen Fremdenergie und Förderung ist. Mit Blick auf Klimawandel und Energiewende eigentlich von der falschen Richtung. Deshalb nennt die die Transition-Town – Bewegung aus England uns 3 Optionen zur Wahl:

  1. Hoffen, dass sich alles von selbst löst = wird es aber nicht, weil sich der gewohnte Normalzustand Energie, Klima sowie Wirtschaft wandelt.
  2. Hoffen, dass andere eine Lösung finden? Wie die Agrarreformen zeigen, hinken andere (die Politik) immer hinterher.
  3. Die Chance erkennen, mit ein paar Leuten an dem Ort, an dem wir leben, unsere Zukunft selbst mitgestalten.

Unsere Aufmerksamkeit gilt deshalb dieser 3. Option. Denn damit könnten die resilienten Schwarzwaldbauern auf ihren Einzelhöfen nicht die Letzten von gestern, sondern die Ersten von Morgen sein. Im Sinne der neuen Landlust gelten unsere nächsten Aktivitäten noch wenig bekannten Entwicklungen von Agroforstsystemen über Permakultur bis zu Formen sozialer Landwirtschaft.

 

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