Den Weiden wieder Sinn geben

Man darf gespannt sein, ob die vielerorts langanhaltende Trockenheit 2015 den Blick weitet für die Zusammenhänge von Landbau und Klimawandel. Die kritische Tierärztin Anita Idel hat bei einem mit dem Landschaftserhaltungsverband Schwarzwald-Baar organisierten Vortrag und einer Weidebegehung dazu das Hintergundwissen geboten. Ihre These, dass die fruchtbarsten Böden der Welt durch Beweiden entstanden sind, ist es wert, über die Weidberge im Schwarzwald neu nachzudenken. Denn aus politischer Sicht ist der Sinn steiler, sumpfiger oder steiniger Flächen auf Offenhaltung und Landschaftspflege reduziert.

Die fruchtbaren Weideböden, von der Tundra über Prärien, Steppen und Savannen bis zur Pampa, sind durch Harmonie von Gras und Grasern entstanden. Mit dem Abfressen regen die Weidetiere (Wiederkäuer) nicht nur den Nachwuchs des Grases, sondern auch seiner Wurzeln an. Aus den absterbenden Wurzeln, Pflanzenresten sowie Kot und Harn der Weidetiere bauen die unzähligen Bodenlebewesen Humus auf. Dieser Humus hat im Kohlenstoffkreislauf (CO2) für unser Klima eine zentrale Rolle, schließlich besteht er überwiegend aus Kohlenstoff.  Dieser Humusaufbau auf Weiden hat bis  vor wenigen Jahrzehnten in ungünstigeren Lagen den Ackerbau im Rahmen der Feldgraswirtschaft  möglich gemacht. Der alte Spruch „Die Wiese ist die Mutter des Ackers“ und viele Flurnamen sind Zeugen.

Als Mitautorin des Weltagrarberichtes ist Anita Idel den Zusammenhängen von Klimawandel und Weidetieren nachgegangen. Das Ergebnis ist das Buch Die Kuh ist kein Klimakiller. Vor allem von der Autoindustrie, aber auch der Agroindustrie werden die Ursachen des Klimawandels im Rülpsen der Kühe und dem dabei ausgestoßene Methan gesucht. Methan ist wie CO2 ein Klimagas, wird aber in 9 bis 15 Jahren abgebaut. 296-fach schädlicher als CO2 ist jedoch das Lachgas (N2O), das aus Stickstoffdüngern vor allem von verdichteten Ackerböden an die Luft abgegeben wird. Kühe, die auf der Weide ernährt und auch im Winter mit Konserven von Weiden und Wiesen gefüttert werden sind also keine Klimakiller.

Bei kaum einer anderen Nutzungsart als der Weide prallen Theorie und Praxis so aufeinander. Der jahreszeit- und wetterabhängige Graswuchs und die Fressgewohn-heiten der Weidetiere sind voller Überraschungen. Nicht umsonst erinnert Anita Idel in ihrem Buch an den guten Hirten, der auch Pastor heißt. Die Hirten oder Weidewirte sollen dafür sorgen, dass Weiden nicht übernutzt werden, aber doch so weit abgefressen werden, dass der Nachwuchs wieder angeregt wird. In beiden Extremen sinkt der Futterertrag als auch der Humusaufbau. So werden Terminvorgaben aus Artenschutzgründen oft zum Bumerang, weil die Weidetiere blühende Gräser nicht mehr fressen.  Nur rechtzeige und gezielte Beweidung kann der Verbuschung entgegen wirken und ist klimaschonender als Weidepflege mit Technik und Fremdenergie. Nachhaltige Beweidung braucht statt Rezepten und Richtlinien gute Hirten, die Gras und Graser im Einklang halten.

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